REINICKENDORF UND RAUS
: Wo der Fasan kreuzt

Als ich in die Reinickendorfer bog, beschleunigte mein Puls

In Reinickendorf war ich noch nie. Mir wär das auch nie aufgefallen, hätte ich Jakub nicht kennengelernt. Nachts, drei Meter unter der Erde warteten wir beide auf den Pendelverkehr. Jakub bemerkte ich sofort. Er ging genau so unruhig wie ich auf und ab. Als wir uns auf gleicher Höhe kreuzten, blickten wir uns an und kamen ins Gespräch. Wir hatten unterschiedliche Ziele. Residenzstraße, sagte er. Da war ich noch nie, sagte ich. Wie, fragte er, du warst noch nie in Reinickendorf? Krass!

Das gab mir zu denken. Wenige Tage später hievte ich mein staubiges Rad aus dem Keller. Einfach in die U-Bahn springen, kam mir unehrenhaft vor. Muskelkraft war angesagt, wollte man seinen Horizont erweitern. Kaum rollte ich über die Grenze nach Tiergarten, war ich schon außer Puste. Am Hauptbahnhof war mal wieder alles aufgerissen und die Verkehrsführung labyrinthisch. Irgendwie schlug ich mich bis zur Heidestraße durch und kurvte auf dem Katzenkopfpflaster gen Wedding. Weiter als bis hierher war ich noch nie gekommen. Als ich in die Reinickendorfer Straße bog, beschleunigte mein Puls. Die Straße zog sich, wechselte mehrmals Richtung und Namen. Die Häuser schrumpften, die Werbeschilder wuchsen. Als sich dann ein Flugzeug wenige Köpfe über mir seine Schneise schlug, wusste ich: Ich war in Reinickendorf.

Ich erinnerte mich wieder an meine Zufallsbekanntschaft. Jakub hatte mir vorgeschwärmt vom grünen Norden des Viertels. Ich trat also nach einer müden Runde um den Schäfersee wieder in die Pedale. Residenzstraße, Kopenhagenerstraße, plötzlich fuhr ich auf dem ehemaligen Mauerstreifen, Wilhelmsruh. Hoppla. Ich war im Osten. Dann Hauptstraße, Quickbornerstraße, wieder über die Mauer. Irgendwann rechts rein. Lübars. Ein Berg, der müsste doch zu schaffen sein! Und da war sie, die Natur: Ein Fasan kreuzte meinen Weg. TIMO BERGER