Eine Stunde Testosteron

DREIKAMPF Viel Zoff, ein Moderator, der CSU spielte, Lügenvorwürfe – das TV-Duell von FDP, Grüne und Linke war um Längen besser als der Zweikampf Merkel/Steinbrück. Bleibt die Frage: Warum war keine Frau dabei?

■ Keifen und Lachen: Bei dem am Montagabend von der ARD ausgestrahlten TV-Dreikampf zwischen Gregor Gysi (die Linke), Jürgen Trittin (Grüne) und Rainer Brüderle (FDP) wurde gelacht und gekeift, was das Zeug hielt. Wie zu erwarten fassten sich die drei Spitzenkandidaten nicht gerade mit Samthandschuhen an. Es ging um Themen wie Mindestlohn, Rente und Steuern. Letzteres löste eine kurze Auseinandersetzung aus, die mit dem Vorwurf Trittins endete, Brüderle würde lügen.

■ Freibetrag: Der von den Grünen aufgestellte Steuerplan sieht nämlich vor, den Grundfreibetrag zu erhöhen, sodass 90 Prozent der Steuerzahler entlastet werden. Das sieht Rainer Brüderle kritisch. Mit dem großväterlichen Einwand: „Ich möchte die Märchenstunde beenden“, kappte er Trittins Erläuterungen. „Eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung“, sagt er, „trifft nicht nur die Reichen, das sind die kleinen und mittleren Einkommen.“ Nur was hat das mit einer Erhöhung des Grundfreibetrags zu tun? Außerdem bemängelte Minister Brüderle, dass bei den grünen Plänen zur Vermögensteuer ein Bäckermeister in der Innenstadt, dessen Betriebsgebäude einen Verkehrswert von einer Million Euro hat, mit einer Enteignung von 15 Prozentz rechnen müsse. Dass der Grüne Trittin den FDP-Spitzenkandidaten im Gegenzug als Lügner bezeichnet – irgendwie verständlich. TAYLI

VON PAUL WRUSCH

BERLIN taz | „Uff“, sagte ARD-Talker Frank Plasberg direkt nach dem Ende des TV-Dreikampfs. Mit diesen drei Buchstaben fasste er die 60 Minuten zuvor treffend zusammen. Nicht wegen erschöpfender Langweile, sondern weil der TV-Dreikampf der kleinen Parteien mit Jürgen Trittin (Grüne), Gregor Gysi (Linke) und Rainer Brüderle (FDP) – im Gegensatz zum Kanzlerduell Merkel gegen Steinbrück am Vorabend – emotional, aggressiv und kontrovers war. Immerhin vier Millionen Zuschauer haben es verfolgt.

Das Studio in Betonpfeileroptik versprühte die kühle Atmosphäre eines verlassenen Parkhauses. Doch die drei Spitzenkandidaten rauften und zankten so viel, dass davon nicht viel übrig blieb. Gleich in den ersten zehn Minuten interagierten sie häufiger, als Steinbrück und Merkel tags zuvor in anderthalb Stunden.

Heftig stritten sich die drei über den gesetzlichen Mindestlohn. Für Gysi und Trittin notwendig, um den Niedriglohnsektor einzudämmen, für Brüderle dagegen ein „Jobkiller“. Brüderle hatte es schwer an diesem Abend. Er kämpfte gegen Trittin und Gysi, die häufig eine Allianz bildeten. Die Zahlen- und Studienschlacht ging beim Thema Rente und Eurorettung ungestört weiter.

Als Trittin die grünen Steuerpläne verteidigte („90 Prozent der Bürger werden entlastet“), reagierte Brüderle schroff („Ich will diese Märchenstunde beenden. Ihre Pläne belasten die Mittelschicht“). Trittin bezichtigte ihn der „Lüge“ und wiederholte den Vorwurf auf Nachfrage der Moderatoren.

Moderator Jörg Schönenborn leitete gewitzt – das einzige Mal an diesem Abend – zu einem neuen Thema über, der Energiewende. „Lassen Sie uns über Speiseeis reden“, sagte er und spielte auf Trittins Versprechen an, die Energiewende koste jeden Bürger jährlich nur eine Kugel Eis. Trittin verteidigte sich, wirkte dabei aber wenig souverän.

Er warf Schwarz-Gelb vor, Unternehmen ent- und Bürger belastet zu haben. Gysi warb für Vorschläge der Linkspartei (Sockeltarif, dezentrale Energieversorgung, Abwrackprämie für Haushaltsgeräte). Brüderle meckerte über Solarföderung.

Manchmal lief die Diskussion aus dem Ruder, Gysi grummelte wütend vor sich hin, als Brüderle referierte. Trittin lächelte die Äußerungen des FDP-Manns weg, Brüderle sang sein Lied von „mehr Markt, weniger Staat“.

Die Moderatoren versagten in der hitzigen Debatte meist. Besonders Sigmund Gottlieb (Bayerischer Rundfunk) glänzte durch Suggestivfragen („Die Grünen wollen die Steuern ja massiv erhöhen“ – „Ist das nicht Planwirtschaft, Herr Gysi?“) und spielte den vierten Kontrahenten einer kleinen bayerischen Ausländermaut-Partei statt den neutralen Journalisten.

Aber auch Jörg Schönenborn (WDR) schaffte es kaum, die sich gegenseitig munter angreifenden, wild durcheinanderredenden Politiker im Zaum zu halten. Gysi, Trittin und Brüderle bestimmten, welche Themen sie diskutieren wollten.

Trittin wirkte insgesamt schwächer als erwartet. Besonders bei seinem Thema, der Energiewende, hatte er nur wenig beizutragen. Das süffisante Lächeln bei Brüderles Einlasssung war seine schärfste Waffe, ansonsten ließ er Brüderle und Gysi ihre Fehden häufig allein austragen. Gysi dagegen war angriffslustig. Brüderle hatte einen schweren Stand, schlug sich dafür in seiner Verteidigungshaltung ganz gut.

Vor lauter Zahlengewirr vergaß er es beinahe, seine beliebte rot-rot-grüne Schreckpistole zu ziehen. Erst als es in den letzten zwei Minuten um Koalitionsspielchen ging, entwarf er lieblos sein Horrorszenario und begründete seine Ablehnung einer Ampelkoalition („Ich esse, wann ich will und was ich will“). Zwischen Trittin und Gysi herrschte dagegen bis zum Ende große Einigkeit. Nur Gysi betonte, dass es mit der SPD schwer werden könne, und zählte als Stichwörter auf: Krieg, Rüstung, Eurorettung, Hartz IV.

Die reine Männerrunde versprühte eine Stunde lang Testosteron. Dass die ARD es nicht geschafft hatte, wenigstens eine Frau als Moderatorin aufzufahren, und dass die Grünen nicht Katrin Göring-Eckardt ins Rennen schickten, trübte den ansonsten gelungenen Politikshowabend. Auch wenn die wichtigen Themen Syrien und NSA-Überwachung nicht vorkamen.

Man hätte sich den Dreikampf noch wenigstens 30 Minuten länger ansehen können, ohne sich langweilen zu müssen. Auch wenn die Kontrahenten kaum mit neuen Ideen aufwarten konnten, waren sie streitbarer und interessanter als Merkel und ihr Herausforderer Steinbrück. Der TV-Duell-Punkt geht an die kleinen Parteien.