Schonzeit für den Hering

FISCHEREI In der Ostsee haben deutsche Fischer die Jahresquoten bereits fast erfüllt und fordern nun höhere Fangmengen. Umweltstiftung WWF sieht Erholung der Bestände als Bestätigung der Schutzmaßnahmen

„Seit Jahren erzählt man, die Ostsee wäre leer gefischt, und wir machen Rekordfänge“

Der Hering ist aus. Die ersten Ostseefischer melden, ihre Fangquoten für das laufende Jahr bereits ausgeschöpft zu haben. Vor der Insel Rügen wurden bis jetzt knapp 4.000 Tonnen Hering gefangen – das ist nahezu die ganze in diesem Bereich von der EU erlaubte Menge und ein Drittel der Gesamtmenge. Auch vor Schleswig-Holstein sei der Fang „bereits weit fortgeschritten“, sagt Gretel Flint, Geschäftsführerin des dortigen Landesfischereiverbandes: „Wir haben keine exakten Zahlen, aber es gibt nur noch Restmengen.“ Deutsche Fischer dürfen in diesem Jahr nach den Quoten, welche die Fischereiminister der EU im Oktober vorigen Jahres festlegten, genau 12.519 Tonnen Ostseehering fangen.

Diese Quoten seien „fragwürdig“, findet Peter Breckling, Generalsekretär des Deutschen Fischerei-Verbandes (DFV) in Hamburg. Er schätzt, dass die Bestände von Hering und anderen Fischen von Wissenschaft und Politik viel zu niedrig angesetzt werden. „Wir brauchen eine bessere Forschung für verlässliche Bestandserfassungen“, fordert Breckling: „Sonst ist das doch nur Stochern im Nebel.“

Nach Ansicht der Fischer könne die Situation nicht so schlecht sein, wie Biologen und Umweltschützer behaupteten: „Seit Jahren erzählt man uns, die Ostsee wäre leer gefischt, und wir machen Rekordfänge – das passt nicht zusammen“, zitiert der DFV einen ungenannten Trawlerkapitän.

„Das passt sehr wohl“, sagt hingegen Karoline Schacht, Fischereiexpertin der Umweltstiftung WWF. Gerade weil die Fangquoten in den vergangenen Jahren gesenkt wurden, gebe es jetzt wieder gute Fänge: „Die Vorsorge zahlt sich aus.“ Für 2010 waren die Fangquoten für Ostseehering um 16,5 Prozent gesenkt worden, nach dem Willen der EU-Kommission hätten es sogar 21 Prozent sein sollen. Das aber hatten die Fischereiminister der EU-Staaten als „existenzbedrohend für die Fischerei“ abgelehnt.

Für Schacht sind die aktuellen Meldungen der Ostseefischer erfreulich. „Die Absenkung der Quoten war rechtzeitig und erfolgreich“, sagt sie. Aus dem Vorjahr sei bereits eine „überraschend hohe Nachwuchsrate“ bekannt. Wenn sich die Heringsbestände wieder erholten, sei aber auch klar, was die EU-Minister im Herbst beschließen würden, sagt Schacht: „Dann gibt es für 2011 wohl keine weitere Reduzierung.“ SVEN-MICHAEL VEIT