die taz vor zehn jahren über das permanente überleben der fdp
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Selbst als gnadenloser rationalistischer Sozialdarwinist wußte ich mir schließlich nicht mehr zu helfen und verlobte mich vor einigen Jahren mit der Schwarzen Madonna von Altötting. Ich versprach der allerheiligsten Jungfrau Maria eine Fußwallfahrt, wenn sie mir endlich meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt: die FDP wegzuputzen. Das ist, nebenbei gesagt, ein echter Deal: Von Hamburg-Eimsbüttel bis zum Gasthof zur Post (Inh. G. Tandler) in Altötting sind es gut 850 Kilometer zu laufen. Die Jungfrau aber zeigt bislang ebenso wenig Lust, mir zu willfahren wie die Evolution. Obwohl diese Steuerbetrüger- und Surfbrettunternehmerpartei ein Ärgernis ist im Angesicht der Natur wie ihres Schöpfers, mischt sie überall mit, regiert, schwadroniert und stirbt einfach nicht aus.

Am vergangenen Samstag hatte ich mir neue Wanderstiefel gekauft. Sonntag früh küßte ich Frau und Kind zum Abschied, schnallte den Rucksack um und zog fröhlich pfeifend über die Elbbrücken südwärts. Im niedersächsischen Sprötze mußte ich umkehren. Die FDP ist weiter dabei in den drei Landtagen, und ich soll Altötting wieder nicht sehen. Die Welt ist ungerecht, und die Evolution auch nicht mehr das, was sie mal war. Stolze, schöne Tiere wie der Archäopterix, der Auerochs und das Okapi mußten aussterben, aber die FDP darf weiterleben. Warum?

Die FDP hat die Evolution überlistet. Ihrem Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig gelang schon bei Amtsantritt, sowohl für wie gegen das neue Asylrecht zu sein. Dann wandte sich Sch.-J. forsch gegen eine „Lex Bundeswehr“ und formulierte nur Tage später selbst mit am neuen Ehrenschutz für unsere lieben Soldaten. Wenn das Altöttinger Gnadenbild so wenig hilft, muß ich demnächst wahrscheinlich nach Bonn pilgern. Dort finden wahre Wunder statt: Der FDP ist die Kreuzung von Hase und Igel gelungen. Willi Winkler, 29. 3. 1996