Asyl für Konvertiten Abdul Rahman in Sicht

Von Todesstrafe bedrohter Afghane verlässt Gefängnis

BERLIN taz ■ Italien will dem zum Christentum übergetretenen Afghanen Abdul Rahman politisches Asyl gewähren. Wie das Außenministerium laut dpa gestern in Rom mitteilte, will Außenminister Gianfranco Fini dem Ministerrat heute einen entsprechenden Antrag vorlegen. Italien war eines von zahlreichen westlichen Staaten, welche die Freilassung des wegen seines Glaubenswechsels von der Todesstrafe bedrohten Rahman gefordert hatten.

Rahman war in der Nacht zu Dienstag aus dem Gefängnis entlassen worden. Über seinen gestrigen Aufenthaltsort hieß es aus afghanischen Justizkreisen, er sei in eine medizinische Einrichtung gebracht worden und weiter im Gewahrsam der Behörden. Dies dürfte auch seinem Schutz dienen, denn Rahman droht Lynchmord. Am Montag hatten in Masar-i Scharif bereits mehrere hundert Demonstranten seine Exekution gefordert.

Ein psychiatrisches Gutachten, dem zufolge Rahman geistig verwirrt und damit nicht straffähig sei, war in den letzten Tagen als für die afghanische Regierung gesichtswahrender Ausweg gehandelt worden. Der von westlichen Staaten auf Kabul ausgeübte Druck drohte die Regierung von Präsident Hamid Karsai bei einem Nachgeben in den Augen von Islamisten erneut als Marionette des Auslands zu entlarven. Die Regierung hätte den Fall lieber ohne Öffentlichkeit gelöst. Ganz abgesehen davon bestritten mehrere Minister, dass Rahman wirklich bedroht sei.

Die um Ausgleich mit den Islamisten bemühte Regierung war im Widerspruch gefangen, der in der afghanischen Verfassung angelegt ist. Diese beruft sich zum einen auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Religionsfreiheit, zum anderen erklärt sie das in seiner Auslegung nicht klar definierte islamische Recht (Scharia) zur obersten Maxime. Für Islamisten geht es bei Rahman deshalb um einen Präzedenzfall, an dem sie eine streng fundamentalistische Auslegung der Scharia festmachen wollen.

Ein Karsai nahe stehender liberaler Politiker, der nicht genannt werden wollte, äußerte sich gegenüber der taz verärgert über die Reaktion des Auslands: „Der Westen hat durch seine nicht angemessene Reaktion viel Schaden angerichtet.“ Und Rahman habe seinen Vater, seine Schwester, seine Frau und Kinder geschlagen und sich erst dann zum Christentum bekannt, als er schon mehrere Tage inhaftiert war. „Dieser Kerl war nie von Tode bedroht. Ich glaube auch nicht, dass er überhaupt ein Christ ist.“

Wie der stellvertretende Generalstaatsanwalt Mohammed Eschak gestern mitteilte, gelte Rahman zunächst als unzurechnungsfähig, werde aber weiter untersucht. Unklarheit herrscht offenbar auch noch über seine Staatsangehörigkeit. Rahman war laut Agenturberichten vor 16 Jahren in Pakistan zum Christentum übergetreten und lebte neun Jahre in Deutschland, bevor er 2002 in seine Heimat zurückkehrte. Er war vor etwa zwei Wochen nach einem gewalttätigen Streit mit seiner Familie in Kabul verhaftet worden. Erst während der Haft wurde sein Glaube Thema. SVEN HANSEN