Fast 100.000 Schweine in einem Stall

Trotz Bioboom und Fleischskandalen: Die Industrialisierung der Schnitzelproduktion nimmt laut einer neuen Studie zu. Die Bundesregierung fördert riesige Mast- und Zuchtanlagen. Und sorgt so auch für ein Gülleproblem, meinen Umweltschützer

VON STEPHAN KOSCH

Schweinepest-Alarm im nordrhein-westfälischen Haltern: Auf einem Betrieb, auf dem die Tierkrankheit ausgebrochen ist, wurden gestern 1.200 Schweine getötet. Das ist bereits der dritte Hof in der kleinen Ortschaft am Rande des Ruhrgebiets, auf dem die Tiere von dem Virus befallen wurden. Seit Anfang März wurden insgesamt schon 2.700 Schweine getötet.

Meldungen wie diese werden sich häufen, befürchtet der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Hunderte von Tieren erkrankten auf einmal, sobald nur ein Virus einen Stall erreicht. Das Risikopotenzial in der Fleischerzeugung wachse mit ihrer zunehmenden Industrialisierung, erklärten die BUND-Agrarexperten Hubert Weiger und Reinhild Bennig gestern. Sie stützen sich auf eine aktuelle Studie des Verbandes zum Boom der Massentierhaltung und seine Folgen für die Umwelt.

Denn: Trotz Bioboom und Fleischskandalen geht der Trend hin zu immer größeren Agrarfabriken. Der Schweinebestand pro Betrieb hat sich dem BUND zufolge im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt. Und noch sei kein Ende abzusehen – auch weil die Bundesregierung die Großbetriebe besonders fördere. So würden die Schweinebestände in Deutschland in den kommenden Jahren einen historischen Höchststand erreichen. Neue Mast- und Zuchtanlagen für insgesamt 1,3 Millionen Schweine sind bereits genehmigt oder durchlaufen gerade das Zulassungsverfahren. Darunter sind auch Megaställe für bis zu 95.000 Tiere. Noch vor fünf Jahren hatten die größten Ställe gerade mal Platz für knapp 20.000 Schweine. So viel Tiere produzieren entsprechend viel Gülle.

Und genau da liege das Problem, meint der BUND. Erst seit einiger Zeit müssen Besitzer von Stallanlagen für ihre Baugenehmigungen nicht mehr nachweisen, dass sie genügend Flächen haben, auf denen sie Urin und Kot der Tiere verteilen können. Nun müssen sie lediglich nachweisen, dass für einige Jahre Abnahmeverträge für die Gülle bestehen. Eine Prüfung dieser Flächen auf ihre Eignung hin sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen, beklagen die Umweltschützer. Der BUND befürchtet nun, dass dort, wo besonders viele Schweine gezüchtet werden, die Felder und Gewässer besonders mit Nitriten und Nitraten belastet werden. Das könnte in der Wemser-Ems-Region ebenso der Fall sein wie in den neuen Bundesländern.

Dabei gibt es Alternativen. Das zeigen Länder wie Dänemark, immerhin einer der weltweit größten Schweinefleischexporteure der Welt. Dort müssen die Gülleflächen im Besitz der Schweinehalter sein. Auch deutsche Ökobetriebe bringen die Gülle auf eigene Flächen aus, auf denen dann wiederum das Futter für die Tiere wächst. Doch die Mühen der Biobauern würden von der Bundesregierung konterkariert, bemängelt der BUND. Die Mittel für Agrar-Umweltprogramme sollen um bis zu 50 Prozent sinken. Die Investitionsbeihilfen für groß angelegte Tierhaltungen sollen hingegen leichter verfügbar sein.