War es richtig, die Banken zu retten?

Pro

Wenn Banken in einer schweren Krise pleitegehen, führen die Verflechtungen im Finanzsektor gemeinsam mit Panikreaktionen zu unabsehbaren Dominoeffekten. Beispiel 1: Der Zusammenbruch der Bodencreditanstalt in Wien löste 1931 einen weltweiten Bankenkrach aus. Beispiel 2: die Lehman-Pleite im September 2008. Danach gab es keine Alternative zur Rettung der (anderen) Banken. Wie dies geschah, war freilich so schlimm wie die Krankheit (ich spreche jetzt primär von den großen Finanzalchemisten, wie Goldman Sachs, Deutsche Bank, Morgan Stanley, UBS oder JPMorgan): Mit den Finanzmitteln konnten die Banken die akute Krise überstehen, um danach mit genau jenen Geschäften wieder zu beginnen, die in die Krise geführt hatten – grotesker geht es nicht.

Vor der Krise: Die Deutsche Bank verkauft bis zum Sommer 2007 „mortgage-backed securities“ in Milliardenvolumen, gleichzeitig spekuliert sie auf deren Wertverfall und profitiert doppelt. Die Finanzalchemiebanken (FAB) und viele Hedgefonds spekulieren nach Ausbruch der Hypo-Krise in den USA auf einen Anstieg der Rohstoffpreise, die Krise breitet sich aus, die Spekulanten gewinnen.

Nach der Krise: Die Zentralbanken senken die Zinsen radikal, um Kredite an Unternehmer billig zu machen. Die FAB nehmen es und spekulieren kostengünstig oder kaufen Staatspapiere und kassieren die Zinsdifferenz.

Banken und Hedgefonds schließen mit Pensionsfonds und anderen weniger schlauen Akteuren Versicherungen auf die mögliche Pleite von Staaten wie Griechenland ab („credit derivative swaps“ – CDS), bringen dann diese Länder noch mehr ins Gerede und profitieren von der Wertsteigerung ihrer CDS.

Fazit: Die Rettung der Banken hätte mit neuen Spielregeln verknüpft werden müssen, welche die Finanzalchemisten „umerzieht“ zu Finanzdienstleistern für die Realwirtschaft. Da die Eliten die systemischen Schäden durch das „Lassen Sie Ihr Geld arbeiten“ nicht begreifen, wird sich die Krise vertiefen (müssen). Das wird bald der Fall sein.

STEPHAN SCHULMEISTER ist Wirtschaftsforscher in WienFoto: Wifo

Contra

Was ist ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank, und was ist die Gründung einer Bank gegen deren Zusammenbruch, wenn dieser mit öffentlichen Mitteln verhindert wird? Der Bankräuber geht höchstes Risiko ein und erbeutet in der Regel nur „peanuts“, der Gründer hat ein geringes Risiko und bringt es auf eine ordentliche Rendite, das Management der geretteten Bank trägt gar kein Risiko und verdient gigantische Summen.

Dass Bankleute für die Rettung einer Bank plädieren, ist verständlich. Doch muss die Regierung, die das Wohl der Bevölkerung mehren soll, die Banken aus dem selbst verschuldeten Schlamassel heraushauen? Ja, wird geantwortet, denn die Hypo Real Estate war systemrelevant. Dies hat das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen festgestellt. Begründung: die schiere Größe und die negativen Auswirkungen auf das gesamte Finanzsystem, wenn vielleicht mehrere hundert Milliarden Euro giftiger Wertpapiere entsorgt werden müssen.

In diese Bredouille hat die Deregulierung der Finanzmärkte in den letzten zwei Jahrzehnten geführt. Banken fungieren nicht mehr als Mittler zwischen Sparern und Investoren. Sie machen Eigengeschäfte mit Papieren, die sie selbst aus dem Nichts „originieren“ können. Eine noch so ergiebige Goldmine ist irgendwann erschöpft, aber Wertpapiere kann man fast schrankenlos per Mausklick kreieren. Was man nicht einfach kreieren kann, sind allerdings die realen Einkommensflüsse, denn nur die erlauben jene 25-prozentigen Renditen, die die Herren des großen Geldes versprechen.

Wenn zukünftige Blasen und deren krisenhaftes Platzen verhindert werden sollen, müssen die Bankbilanzen verkürzt werden, muss das Investmentbanking vom normalen Bankgeschäft getrennt und müssen vor allem Insolvenzregeln für Banken erlassen werden. Damit niemand mehr mit dem Argument kommen kann, man müsse die Zocker retten, weil das „System“ sonst hopsgehen könne. Den Anfang dieser Umstrukturierung hätte man machen können, indem man Banken mit verspekuliertem Eigenkapital hätte in die Pleite gehen lassen.

ELMAR ALTVATER ist em. Professor für Politik und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac Foto: Archiv