Eurythmisch abgedreht

WHAT MOVES YOU Ein Projekt brachte Teenagern die anthroposophische Bewegungskunst näher. Der Film dazu kommt nun ins Kino

Wenn Jugendliche aus aller Welt die Sommerferien in Berlin verbringen, um ein gemeinsames Kulturprojekt zu stemmen, kann in dramaturgischer Hinsicht eigentlich nichts schiefgehen. Das dachte auch der Schweizer Filmemacher Christian Labhart, als er sich entschloss, „What Moves You“, das bisher größte Jugend-Eurythmie-Projekt, mit der Kamera zu begleiten. Herausgekommen ist ein Film mit über 83 jungen Menschen aus 13 Nationen, die gemeinsam durch Freud und Leid eines künstlerischen Schaffensprozesses gehen. Innerhalb von vier Wochen erarbeiteten sie im Sommer 2012 eine eurythmische Choreografie zu Beethovens fünfter Symphonie sowie Arvo Pärts Komposition „Fratres“ unter der Leitung eines Dozentenkreises von Eurythmielehrern. Den Höhepunkt bildeten zwei ausverkaufte Vorstellungen.

Man mag in einem Film über die von Rudolf Steiner begründete Bewegungskunst nicht unmittelbar einen Kassenschlager vermuten. Und Regisseur Christian Labhart bleibt realistisch: „Wenn der Film innerhalb der Anthro-Szene ein Echo hat, sind wir zufrieden. Wenn es gelingen würde, diese Szene zu durchbrechen, wäre das großartig.“ Angesichts des Hypes um verschiedenste Wege zur spirituellen Selbstfindung verwundert es fast, dass die Eurythmie die Grenzen der Anthroposophie-Szene bisher nicht überwunden hat. Jack Williment aus Neuseeland, einer der Protagonisten des Films, bringt es auf den Punkt: „Wenn ich Eurythmie mache, fühle ich mich mit mir im Reinen. Als würde ich mich selbst besser verstehen. Ich denke weniger nach und fühle mich einfach gut.“

Es ist dem Film nicht anzumerken, dass seine Entstehung nicht immer reibungslos ablief. Trotz genereller Filmerlaubnis erbat sich das Lehrpersonal ab und an, nicht zu filmen, etwa wenn es zu Auseinandersetzungen mit Schülern kam. Gern hätte Christian Labhart ein, zwei mehr „Dramen“ eingeflochten. Gegen Ende verlässt eine Teilnehmerin aus persönlichen Gründen die Gruppe. Man sieht die Anteilnahme und die Reaktionen der anderen, doch die Vorgeschichte kann der Zuschauer nur erahnen. Man merkt dem Regisseur an, dass ihn das wurmt. „Bei einem Dokumentarfilm muss man mit der Kamera einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das gelingt nicht immer.“

Jack hingegen hätte sich eher weniger als mehr Kamerapräsenz gewünscht. „Es freuen sich natürlich alle, dass es einen Film gibt. Aber es gab schon Schwierigkeiten. Du weißt, dass die Kamera gerade in dich hineinkriecht, darfst aber nicht hingucken. Das lenkt schon ab.“ Was im Film durchaus zu spüren ist. Der Tanzende folgt emotional der Musik und bringt diese körperlich zum Ausdruck. So beschleicht den Zuschauer in den Probensequenzen manchmal das Gefühl, ein fremdes Tagebuch zu lesen.

Christian Labhart faszinieren seine jugendlichen Darsteller: „Sie leben in einer Welt, die geprägt ist von Zynismus, Ironie und No Future. Sie sind aber ein anderer Schlag. Sie versprühen Optimismus und nehmen Anteil. Eine Mischung aus Modernität und sozialer Kompetenz. Sie machen einem Hoffnung.“ Dass daran sicherlich der Waldorf-Hintergrund einen beträchtlichen Anteil hat, ist dem Regisseur bewusst.

Eine Heile-Welt-Illusion wird aber trotzdem nicht genährt: Die Protagonisten haben Probleme mit der Liebe, mit Diskriminierung oder Selbstzweifeln, die der Film nicht ausklammert. Wenn Jack seinen Kumpels berichtet, dass seine Freundin ihn über Facebook verlassen hat, fragt man sich: Eurythmie und Facebook? Passt das? Ja, lautet die Nachricht des Films. Und genau das macht ihn so sehenswert. CONSTANZE NAUHAUS

■ Filmpremiere heute um 20.30 Uhr im Eva-Lichtspiele (Blissestraße 18, 10713 Berlin) in Anwesenheit von Regisseur, Produzent, Protagonisten und Crew