Volkspartei, ade?

UMFRAGEN Grüne haben so schlechte Werte wie seit drei Jahren nicht mehr

AUS BERLIN LISA SCHNELL

Die Grünen sind die Verlierer aller Umfragen der letzten Tage. Noch Mitte August lagen sie bei 13 Prozent, jetzt erreichten sie bei der jüngsten Umfrage des ZDF gerade mal 10 Prozent. Sie sind damit die einzige Partei, die Verluste hinnehmen musste. Nach dem ZDF-Politbarometer konnten SPD (26 Prozent), Union (41 Prozent) und FDP (6 Prozent) ihre Werte halten, die Linkspartei legte sogar um 1 Prozentpunkt auf 8 Prozent zu. Die Grünen liegen damit sogar unter dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl 2009. Damals kamen sie auf 10,7 Prozent. Ihr Bestreben, neue Wählergruppen zu erreichen, scheint gescheitert zu sein.

Trotzdem äußerte sich der Bundesvorsitzende der Partei, Cem Özdemir, am Freitag optimistisch: „Der Fußballer sagt: Grau is alle Theorie, entscheidend is auf‘m Platz. Ich sage: Grau ist jede Umfrage - entscheidend ist der Wahltag.“

Auch Astrid Rothe-Beinlich, Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen, warnt davor, in Umfragegläubigkeit zu verfallen. Den Grund für die sinkende Beliebtheit ihrer Partei sieht sie darin, dass die Kernthemen der Grünen bis jetzt im Wahlkampf keine große Rolle gespielt haben. „In einem Wahlkampf, in dem es nur um die Fettnäpfchen von Peer Steinbrück geht und Merkel über alles Mehltau legt, ist es schwer, mit Inhalten zu punkten“, sagte sie in Nürnberg.

Jens Althoff, der Sprecher der Grünen, erklärt sich das Umfragetief seiner Partei mit den Effekten des Fernsehduells zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück: „Durch das Duell richtet sich das ganze Interesse der Öffentlichkeit jetzt auf die großen Parteien. Die Grünen werden von den Medien weniger beachtet und sind daher bei den Leuten nicht so präsent.“ Trotzdem gibt auch er sich sorglos. Auch bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sei vor der Wahl ein Abgesang auf die Grünen angestimmt worden. „Jetzt sitzen wir in beiden Ländern in der Regierung.“ Allerdings zeigten die Umfragen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein neben schlechten Werten für die Grünen vor der Wahl auch eine starke Wechselstimmung an.

Die gibt es bei den jetzigen Prognosen nicht. Eine Schwierigkeit im Wahlkampf der Grünen sieht Althoff beim Thema Steuern. „Gegen unser Steuermodell wird eine regelrechte Kampagne gefahren von einigen Interessengruppen“, sagt er. Althoff bedauert, dass die Gewerkschaften hier nicht mehr gegenhalten. Der Vorwurf an die Grünen, in ihrer Vergangenheit zu aufgeschlossen gegenüber pädophilen Gruppen gewesen zu sein, habe seiner Partei bei den Wählern nicht geschadet, so Althoff.

Rasmus Andresen, Vizefraktionschef in Schleswig-Holstein, sieht das ein wenig anders. Es sei kein Geheimnis, dass die Grünen in der Pädophiliedebatte von den Medien stark kritisiert wurden, genauso wie das grüne Steuermodell. „Die Leute sind sich nicht mehr sicher, was sie bekommen, wenn sie Grün wählen“, sagt Andresen. Einen positiven Effekt könnten die schlechten Umfrageergebnisse aber haben: Während sich die Union in Siegesgewissheit wiegt, könnten die mageren 10 Prozent auf die grüne Basis motivierend wirken, in den nächsten zwei Wochen noch mal stark zu mobilisieren.