Friedenspfeife ausgeraucht

Die Fehde zwischen Bremen und seinem kleinen Nachbarn Stuhr geht weiter. Der Streit um den Einzelhandel illustriert, zu welchen absurden Verwicklungen die Kleinstaaterei im Norden führt

aus Bremen Armin Simon

Diesmal, da ist Norbert Caesar sicher, braucht man die Schuldige nicht lang zu suchen. Sie ist offensichtlich: Stuhr. Was Bremens Nachbargemeinde, genauer: der Stuhrer Gemeinderat, da beschließen wolle, das, so drückt es der Vorsitzende des Bremer Einzelhandelsverbands aus, müsse Bremen „höchst ärgerlich“ machen. „Entweder ich bin ein Gesprächspartner, auf den man sich verlassen kann, oder ich bin keiner“, sagt Caesar. Fast hätte er noch aufgestampft.

Dabei hätte gestern Abend eigentlich alles besser werden sollen. Einen Monat ist es her, dass sich der Stuhrer und der Bremer Bürgermeister die Hand schüttelten und öffentlich Friedenspfeife rauchten. Nein, man wolle sich nicht weiter streiten, um die Ansiedlung von ein paar Tausend Quadratmetern Einzelhandel im Stuhrer Ortsteil Brinkum-Nord, an der Autobahn und direkt hinter der Bremer Landesgrenze gelegen. Beide Seiten wollten wieder verhandeln statt zu prozessieren und vor allem: wieder gemeinsam planen. „Ein Signal, dass alle Beteiligten bereit sind, an einem Strang zu ziehen“, sah Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD). Und sein Kollege Cord Bockhop (CDU) aus Stuhr wollte „eine unbelastete Atmosphäre schaffen“.

Davon kann, vier Wochen später, schon keine Rede mehr sein. „Es gibt 39 Bürgermeister in der Metropolregion, die sich an die Rahmenbedingungen halten und einer, der sagt: ‚Das interessiert mich nicht‘“, schimpft Caesar in Richtung Bockhop. Anlass der harschen Worte ist ein Beschluss, den der Stuhrer Gemeinderat gestern Abend fällen wollte. Den vier Wochen alten Sechs-Punkte-Friedens-Plan nimmt Stuhr darin lediglich „zur Kenntnis“. Von einem Wiedereinstieg Stuhrs in die gemeinsame Raumplanung oder gar einer Veränderungssperre für das umstrittene Gewerbegebiet, für das dann, gemeinsam abgesprochen, ein neues, deutlich restriktiveres Baurecht geschaffen werden könnte, ist nicht die Rede. Zu recht, wie der CDU-Vorsitzende im Stuhrer Kommunalparlament, Jürgen von Weyhe, betont. Bedingung dafür sei schließlich, dass Bremen seine beiden Klagen gegen das in Bau befindliche Factory-Outlet-Center und ein weiteres Einzelhandelsvorhaben in Brinkum-Nord zurücknimmt: „Vorher fangen wir nicht an, mitzuarbeiten.“

Bremen indes pocht auf die bis Ende März versprochenen „politisch belastbaren Aussagen“ Stuhrs im Sinne des Friedensplans. Die seien, auch in Kenntnis des Beschlusses von gestern, „bislang nicht ausreichend“.

Stuhr wie Bremen geht es ums Prinzip. Stuhrs Prinzipien lauten: Keine Einmischung Bremens in die eigene Planungshoheit, erstens. Und, zweitens, die offizielle Anerkennung als „Mittelzentrum“. Die würde die bisher nur als „Grundzentrum“ geführte Gemeinde auf eine Stufe mit den Bremer Nebenzentren stellen – also auf Augenhöhe etwa bei Verhandlungen über die Ansiedlung von Einzelhandel. Bremens Prinzipien lauten: Keine Ansiedlung von Einzelhandel vor der Stadt gegen den eigenen Willen, erstens. Und, zweitens, Priorität einer Raumplanung, die Bremens „oberzentraler“ Funktion Rechnung trägt.

Das Bremer Bauressort stellte gestern heraus, dass allein die Landesregierung in Hannover Stuhr zum Mittelzentrum erheben könne. Und dass man „kein Öl in kein Feuer gießen“ werde. Von Weyhe verwies darauf, dass der Sechs-Punkte-Plan, den sein Bürgermeister vor vier Wochen unterzeichnet habe, nur „unter Druck zustande gekommen“ sei. Soll heißen: „Wir würden nie sagen, das ist verpflichtend.“