die taz vor 14 jahren zur diskussion über eine kantonisierung bosnien-herzegowinas
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Kantonisierung – das hörte sich nach friedlichem Zusammenleben nach Schweizer Modell an. Doch während in der helvetischen Republik die Kantone ihre Identität aus der Sprache und der Geschichte beziehen, sollte die Kantonisierung Bosnien-Herzegowinas von vornherein auf Prinzipien ethnischer (im strengen Sinn: religiöser) Segregation beruhen. Da aber in der ex-jugoslawischen Republik in kaum einer größeren Stadt eine absolute Mehrheit einer der drei Volksgruppen angehört, würde der Kantonisierung der Republik nach ethnischen Kriterien zwangsläufig eine Kantonisierung der Kantone folgen müssen. Es sei denn, man löst das Problem über die Umsiedelung von etwa zwei Millionen Menschen. Die einzige Alternative dazu besteht in einem Bosnien-Herzegowina, das sich als Republik der in seinen Grenzen lebenden Bürger versteht und den einzelnen Volksgruppen Autonomie und Minderheitsrechte verbrieft. Während die Armee den Schutz der Serben bereits zu ihrer Sache erklärt hat und viele Kroaten auf Hilfe aus Zagreb hoffen, sind vor allem die Moslems an dieser Lösung interessiert. Sie laufen Gefahr, zwischen serbischem und auch kroatischem Irredentismus zerrieben zu werden. Thomas Schmid, 30. 3. 1992