Carla del Ponte macht Druck

Die Chefanklägerin des Haager UNO-Tribunals fordert bei ihrem Serbien-Besuch die Regierung auf, endlich die Festnahme von Exgeneral Radko Mladić voranzutreiben

BELGRAD taz ■ Carla del Ponte fand klare Worte: In Belgrad forderte die Chefanklägerin des UNO-Tribunals in Den Haag gestern „dringende und konkrete“ Beweise für Maßnahmen der serbischen Regierung hinsichtlich der Festnahme des wegen Kriegsverbrechen gesuchten, in Serbien vermuteten bosnisch-serbischen Generals Ratko Mladić. Andernfalls würde ihr Bericht über die Zusammenarbeit Belgrads mit dem Tribunal am Freitag in Brüssel negativ ausfallen. Daskönnte das Ende der Gespräche über das Stabilisierung- und Assoziierungsabkommen mit der EU zur Folge haben, so del Ponte. Die Gespräche sollen am 5. April fortgesetzt werden.

Die Möglichkeit, die Gespräche abzubrechen, bestätigte auch EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn. Die Frist für die Auslieferung von Ratko Mladić laufe am 31. März ab, sagte er. Del Ponte forderte Brüssel erneut auf, Druck auf Belgrad auszuüben, die Verpflichtungen gegenüber dem Tribunal zu erfüllen.

Auch Washington macht künftige Finanzhilfen für Serbien von der Auslieferung Mladić’ abhängig. „Macht Carla glücklich, und die EU wird euch glücklich machen“, fasste die Belgrader Tageszeitung Politika auf ihrer gestrigen Titelseite die inoffizielle Botschaft aus Brüssel zusammen. Die EU habe kein Verständnis mehr für die ewigen leeren Versprechungen Belgrads.

Obwohl serbische Behörden beteuern, „alles in ihrer Macht Stehende zu tun“, um Mladić ausfindig zu machen, befindet sich der General weiter auf freiem Fuß. Vor allem die Abhängigkeit der serbischen Minderheitsregierung von der parlamentarischen Unterstützung der Milošević-Sozialisten (SPS) lässt die Versprechen Belgrads, die Causa Mladić beenden zu wollen, unglaubwürdig erscheinen.

Die SPS macht das Tribunal für den Tod ihres Präsidenten Slobodan Milošević verantwortlich und droht im Falle einer gewaltsamen Festnahme von Mladić, die Regierung zu stürzen. Am Montag legten Abgeordnete der SPS und der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) eine Schweigeminute für den „in Den Haag ermordeten Präsidenten Slobodan Milošević“ ein. Abgeordnete der regierenden Demokratischen Partei Serbiens (DSS) ließen das über sich ergehen. Ihre Koalitionspartner dagegen verließen demonstrativ das Parlament, das die Demokratische Partei (DS) von Staatspräsident Boris Tadić seit Monaten boykottiert. Parlamentspräsident Predrag Marković, der erklärte hatte, eine Gedenkminute für Milošević nicht erlauben zu wollen, war der Parlamentssitzung fern geblieben.

Die Stimmung im Parlament verschlechterte sich noch weiter, als einige Abgeordnete eine Schweigeminute für „alle Opfer des Regimes Milošvić“ und den von Spezialeinheiten der Polizei unter Milošević’ Herrschaft ermordeten ehemaligen Präsidenten Serbiens, Ivan Stambolić, forderten. Die Parlamentsmehrheit lehnte es ab, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Nur 129 von 250 Abgeordneten unterstützen die serbische Minderheitsregierung. Diese will Neuwahlen um jeden Preis vermeiden. ANDREJ IVANJI