Endlich gemeinsam statt weiter einsam

KONGRESS Macher von Straßenzeitungen wollen ihre Blätter durch eine verstärkte Vernetzung verbessern

Alle Kongressteilnehmer wollten mehr Kooperation mit etablierten Zeitungen

Zum ersten Mal überhaupt sind am Wochenende in der Berliner taz-Redaktion Vertreter von Straßenzeitungen zu einem Kongress zusammengekommen. 52 Gäste aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden diskutierten in Gesprächsrunden und Workshops über das Konzept und die Zukunft ihrer Blätter.

Als Referenten und Gesprächspartner waren Journalisten von der Zeit und der Berliner Zeitung sowie Werbeprofis von Scholz & Friends dabei, mit denen sie folgende Fragen diskutierten: Wo stehen die Straßenzeitungen im Vergleich zu den etablierten Zeitungen? Was kann man voneinander lernen? Welche Wege der Zusammenarbeit könnte es geben?

Einig waren sich die Teilnehmer darüber, dass es mehr Kooperation mit etablierten Zeitungen geben müsse. Die Berichterstattung über Armut sollte in den etablierten Medien mehr Beachtung finden. Mehr authentische Stimmen würden außerdem helfen, Stereotype zu bekämpfen.

Der Verkauf einer Straßenzeitung am Kiosk oder als Beilage zu einer Tageszeitung wurde jedoch einhellig abgelehnt. Dies widerspreche der Ambition, den Verkäufern einen Gelderwerb und die soziale Wiedereingliederung zu ermöglichen. „Die Zeitung wird von Menschen vertrieben, die sonst mit der normalen Gesellschaft nicht in Kontakt kommen würden“ erklärt Angela Traußnig vom Wiener Augustin. Und ihre Kollegin Beatrice Gerst vom Stuttgarter Trott-war ergänzt: „Eine Straßenzeitung ist ein Betrieb, bei dem professionelle Journalisten arbeiten, sie ist aber auch ein sozialer Anlaufpunkt für die Verkäufer. Wir ersetzen die Familie. Für die Verkäufer kann diese Tätigkeit einen ersten Schritt in Richtung Wiedereingliederung bedeuten. „Auch wenn ich nur 5 Euro mit dem Zeitungsverkauf verdiene, ich weiß es zu schätzen. Außerdem bringen die Leute mir auch mal so was mit, Kleidung oder auch Geschenke zu Weihnachten“, erzählt Patrick Kronberger, Verkäufer des Straßenforums Karlsruhe.

Aus den Gesprächen konnten die Straßenzeitungsmacher, die zusammen fast eine halbe Million Zeitungen monatlich produzieren, Inspiration und neue Ideen mitnehmen. Viele waren vom Kongress positiv überrascht, so auch Stefan Malecki vom bodo aus Dortmund/Bochum: „Erst war ich skeptisch, ich dachte, das wird jetzt so ein ‚Wir zeigen euch, wie das geht‘-Treffen. Aber es gab einen echten kritischen Austausch auf Augenhöhe.“

Der Kongress sollte auch dazu beitragen, die verschiedenen Zeitungen besser miteinander zu vernetzen. Beatrice Gerst, die auch als Koordinatorin des deutschsprachigen Straßenzeitungspools tätig ist, weist auf die Vorteile einer engeren Zusammenarbeit hin: „Wir konnten renommierte Autoren wie Juli Zeh oder Ingrid Noll dazu bewegen, Texte zu spenden. Diese wurden dann über den Pool allen Zeitungen zur Verfügung gestellt.“ Mit dem Treffen möchte sie ihre Kollegen dazu animieren, den Pool aktiver mitzugestalten.

Bei den verschiedenen Workshops entstanden darüber hinaus konkrete Projekte. Auf Vorschlag des Kölner Bank Extra soll ein Journalistenpreis für die beste Straßenzeitungsreportage entstehen. Lutz Meyer von Scholz & Friends schlug vor, bei einem jährlichen Ideenpool mit Straßenzeitungsmachern und Journalisten aus etablierten Medien Vorschläge für Werbung und PR zu erarbeiten und allen Straßenzeitungen zur Verfügung zu stellen. Die Journalistenschule Klara bot an, die journalistische Fortbildung von Straßenzeitungsautoren mit Kursen zu unterstützen. Auch andere Schulen sollen kontaktiert werden. Zum Kongress eingeladen hatten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Trott-war und die taz. ALEXANDRA FRIEDMANN