Keine Handy-Razzien an Schulen

Früher nutzten Schüler ihre Mobiltelefone nur als Spickzettel. Nun werden damit auch Pornos gezeigt oder Gewaltvideos gefilmt. Politiker haben noch keine echte Lösung gefunden, einige wollen sich mit dem Problem trotzdem profilieren

von KAI SCHÖNEBERG

Sogar hart gesottene Polizisten sollen schockiert gewesen sein, als sie sich die 16 Handys von 14- bis 17-jährigen Schülern mal genauer anschauten: Vorher waren die bestialischen Gewaltszenen, brutalen Pornodarstellungen und Sodomie-Filme der „Hit“ in den Pausen einer Hauptschule von Immenstadt im Allgäu gewesen.

Der Fall ließ vor wenigen Wochen nicht nur die Diskussion über das Handyverbot an Schulen wieder aufleben, er führte gestern auch zu einem Profilierungswettlauf in der niedersächsischen Landesregierung. Nachdem Zeitungen CDU-Innenminister Uwe Schünemann damit zitiert hatten, die Polizei werde renitenten Schülern künftig mit Razzien auf den Pelz rücken, wenn sie Gewaltvideos tauschten, reagierte sein Parteikollege und Bildungsminister Bernd Busemann prompt: „Razzien in den Schulen, die sozusagen aus der Hüfte gestartet werden“, könne er sich „nicht vorstellen“.

Hinter dem Scharmützel um den richtigen Umgang mit Gewaltszenen, die zwischen Schülerhandys kursieren, steckt die bislang ungelöste Frage, wie mit dem in Deutschland neuen Phänomen (siehe Kasten) umzugehen ist. Die Snuff-Videos ließen nicht nur in Bayern die Hardliner aus der Gruft steigen: Nachdem CSU-General Markus Söder ein Handy-Verbot an allen Schulen gefordert hatte, beschloss das Landeskabinett am Dienstag eine abgeschwächte Regelung: Die Mitnahme der Geräte ist weiterhin erlaubt, das Einschalten aber nur auf Nachfrage.

Auch der niedersächsische CDU-Innenexperte Hans-Christian Biallas hatte für ein Total-Verbot plädiert, als Ende vergangenen Jahres drei Hauptschüler aus dem Kreis Soltau-Fallingbostel einen 15 Jahre alten Mitschüler getreten und dies mit einer Digitalkamera gefilmt hatten. Kurz zuvor hatten auch in der Nähe von Hildesheim neun Schüler per Mobiltelefon-Kamera verewigt, wie sie einen Schulkameraden verprügeln.

Aber so einfach ist das mit dem Handy-Tabu an Schulen nicht – so wird das jedenfalls im Norden gesehen: „Sobald ein Vater klagt, dass er seine Tochter in der Schule anrufen will, wird man ein Verbot juristisch nicht durchhalten können“, sagt Georg Weßling aus dem Kultusministerium in Hannnover.

Deshalb setzen die Nord-Länder auf die Schulen selbst: „Seit drei Jahren kann die Schulkonferenz Handys an der Schule verbieten“, sagt der Sprecher des Hamburger Bildungsressorts, Alexander Luckow. Vom allgemeinen Handyverbot an Schulen hält er nichts, weil dies nur „mit Leibesvisitationen der Schüler vor dem Unterricht durchgesetzt werden könnte“.

Eine ähnliche Regelung gilt in Niedersachsen. „Während des Unterrichts dürfen die Handys ohnehin nicht an sein“, sagt Weßling. „Längst hat die SMS ja den Spickzettel bei Klassenarbeiten abgelöst“. Auch in Schleswig-Holstein haben einige Schulen bereits Handyverbote erlassen. Eltern, die ihre Kinder nicht ohne Funke losschicken wollen, müssen das der Schule schriftlich mitteilen. Das Handy wird dann während des Unterrichts im Sekretariat deponiert.

Die bislang bekannten Fälle seien „nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Bruno Nikles von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendschutz. Seine Lösung: Eltern könnten bereits beim Kauf des Gerätes auf den Filmchen-Kram verzichten.

Schließfächer für Mobiltelefone an den Schulen empfiehlt Christian Pfeiffer. „Wer telefonieren will, kann das auch im Lehrerzimmer“, sagt der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover. Und: „Im Flugzeug oder im Konzertsaal sind Handys auch verboten – das stört niemanden.“