: Das neue Blatt
„Österreich“ für Österreich: Die Brüder Fellner wollen die Alpenrepublik ab September mit einer neuen Zeitung für die „gebildete Mitte“ beglücken
AUS WIEN RALF LEONHARD
Österreich bekommt eine neue Tageszeitung. Sie soll, ganz unprätentiös, Österreich heißen und mit einer Startauflage von 250.000 Stück auf den Markt kommen. Das ist mehr als die dreifache Auflage, die die beiden überregionalen Qualitätsblätter Der Standard und Die Presse täglich unters Volk bringen. Am Wochenende sollen sogar 600.000 Stück in den „Selbstentnahmebeuteln“ hängen. In einer Zeit, da Zeitungen eher sterben als geboren werden, erscheint es als aberwitziges Unternehmen, so massiv in den saturierten österreichischen Pressemarkt eindringen zu wollen.
Neben der Gratiszeitung Heute, die in Wiener U-Bahn-Stationen aufliegt, gab es in den letzten zehn Jahren keine überlebensfähige Gründung. Nun greift im Lande sowieso jeder zweite Zeitungsleser gewohnheitsmäßig zum Boulevardblatt Kronen Zeitung. Und so würde man dem neuen Produkt im Normalfall düstere Aussichten voraussagen – wenn es nicht aus dem Hause Fellner käme.
Die Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner haben schon einmal ein kleines Zeitschriftenimperium gegründet. Ausgangspunkt war die vom damals gerade 14-jährigen Wolfgang Fellner 1968 in Salzburg gegründete Jugendzeitung Rennbahn-Express, eine Art österreichischer Bravo, die heute – so viel Moderne muss sein, X-press heißt. Das sensationalistische Nachrichtenmagazin News macht Auflage mit politischen Gerüchten, Homestories und Sexgeschichten, dem Wirtschaftsmagazin Format gehen bald die Aufmacher über Österreichs erfolgreichste Unternehmer aus, die Fernsehzeitschrift TV Media ist Marktführerin in ihrer Sparte, und die Frauenzeitschrift Woman gibt sich moderner als traditionelle deutsche Platzhirsche wie Brigitte. Dabei gehört die Verlagsgruppe News heute mehrheitlich der deutschen Presseholding Gruner + Jahr, einem Teil des Bertelsmann-Konzerns.
Am ehrgeizigen Zeitungsprojekt basteln die Fellners in ihrer neuen Fellner Media AG, und das schon seit drei Jahren. Doch jetzt steht fest, wann es losgeht: Am 18. September. Was bis dahin entstehen soll, ist „neuer Journalismus für eine gebildete Mitte“, sagt Wolfgang Fellner. Und diese Mitte ist irgendwo zwischen dem bescheidenen Niveau der Krone und dem Anspruch des Standard angesiedelt. Zwischen der vergreisenden Leserschaft der Boulevardpresse und der Internetgeneration, die das gedruckte Papier verweigert. Auch im Format soll Österreich dazwischen liegen. Wolfgang Fellner will sich hier an der Erfolgsgeschichte des kleinformatigen US-Massenblatts USA Today orientieren.
Neben überregionalen Pflichtthemen wie Politik, Wirtschaft, Chronik, Kultur, Sport und Meinung soll Österreich einen Regionalteil und einen dritten, hochglanzgedruckten Teil über „Lebensbereiche der neuen Medien-Generation – will sagen: Frauen, Lifestyle, Mode, Fernsehen, neue Medien – haben. Fellner verspricht „Agenda Setting und investigative Recherchen“. Und die politische Ausrichtung? – „weltoffen und liberal“.
Das kann die katholische Styria Gruppe, zu der unter anderem die konservative Presse gehört, nicht so stehen lassen: „In Wahrheit wird er einfach Boulevardjournalismus machen, wie wir ihn noch nie gesehen haben“, wetterte Styria-Vorstandschef Horst Pirker gegen die Fellner-Pläne. Standard-Gründer und Herausgeber Oscar Bronner gibt sich da gelassener: „Das wird ein Frontalangriff auf die Krone und sonst gar nichts.“
Die Redaktionsräume am zentralen Karlsplatz in Wien sind jedenfalls noch nicht fertig ausgebaut. 300 fest angestellte Mitarbeiter sollen dort und in den Lokalredaktionen beschäftigt werden. Für das Team griff Fellner nicht nur auf die eigenen Publikationen zurück, sondern wilderte auch bei den etablierten Zeitungen.
Allein im ersten Jahr darf Österreich 50 Millionen Euro kosten. Rund 30 Millionen hoffen die Fellners gleichzeitig einzuspielen. Nach fünf Jahren soll der Break-even-Point erreicht sein. Finanziert wird dieses für österreichische Verhältnisse gigantomanische Unterfangen von acht Kreditinstituten, darunter Österreichs größte Bank, die Bank Austria-Creditanstalt. Auf staatliche Presseförderung will Österreich großzügig verzichten. Fellner, der auch eigenes Geld in das Projekt gesteckt hat, nennt diese Alimente, die eigentlich jedem periodischen Druckerzeugnis in Österreich zusteht, schlicht „eine Misserfolgsförderung“.
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