Transparenter Hof mit Folienstall

Verbraucherängste machen derzeit vielen Produzenten von Biogeflügel zu schaffen. Ausnahme ist ein Demeter-Hof in Baden-Württemberg, der für sein Konzept sogar prämiert wurde – eine Auszeichnung mit Signalcharakter

VON CHRISTOPH RASCH

Eigentlich war der Zeitpunkt denkbar ungünstig. Im Herbst vergangenen Jahres, als die Jury auf den biologisch-dynamischen Geflügelhof von Maik Noz kam, erreichte die Hysterie um die Vogelgrippe ihren ersten Höhepunkt. Die Tierseuche war in Europa angekommen. Doch als der Bus die Preisrichter auf dem Brunnenhof nahe Schwäbisch Hall ablud, hatten die Experten aus Umweltforschung und Ökolandbau „ein echtes Aha-Erlebnis“, sagt der Demeter-Landwirt: Auf dem baden-württembergischen Brunnenhof empfing seine entspannt herumpickende Putenschar quasi „handzahm“ ihre überraschten Besucher.

Die Visite machte Eindruck, und ein paar Wochen später schüttelte Maik Noz, dann wesentlich aufgeregter als sein Geflügel, einem lächelnden Bundeslandwirtschaftsminister die Hand. Horst Seehofer (CSU) war zur Preisverleihung auf die Berliner Grüne Woche gekommen und zeichnete den Brunnenhof mit dem Förderpreis für ökologischen Landbau aus – „für vorbildliche Leistung in der artgerechten Tierhaltung, Aufzucht und Fütterung“.

Das ist schon eine Weile her, das Gros des 7.000-Euro-Preisgeldes ist inzwischen für Eigenwerbung und die neue Brunnenhof-Website draufgegangen – und die regionalen Medien rufen inzwischen nur noch an, wenn es um den neuesten „Vogelgrippealarm“ geht. Doch etwas bleibt – schließlich haben Maik Noz und seine Frau Caroline jahrelang für die Anerkennung gekämpft –: „Die politische Dimension einer solchen Preisvergabe“, sagt der 36-Jährige, „und das Vertrauen in die Freilandhaltung eines Biohofes“ – auch in Zeiten von Geflügelpest und verunsicherten Verbrauchern.

„Von dem Preis erhoffen wir uns eine Signalwirkung“, sagt auch Johannes Ell-Schnurr, Geschäftsführer von Demeter Baden-Württemberg, der die Vogelgrippe-Debatten in eine falsche Richtung abgleiten sieht: „Dabei wird der Käfighaltung allzu sehr das Wort geredet.“ Auch Politiker wie die Grüne Bärbel Höhn befürchten eine Instrumentalisierung der Verbraucherängste, „um rein wirtschaftliche Interessen der Geflügelindustrie zu befriedigen“ – Käfighaltung als Allheilmittel.

Und das bekommen die Demeter-Landwirte zu spüren: Rund 450 dieser anthroposophisch ausgerichteten Betriebe gibt es in Baden-Württemberg, ein knappes Dutzend davon konzentriert sich in ähnlicher Größenordnung wie der Brunnenhof auf Biogeflügel. Die frühere Gelassenheit der Betreiber zu Beginn der Grippekrise sei inzwischen verflogen, Unsicherheit präge das Bild auf vielen Höfen – und es gebe Umsatzeinbrüche, vor allem bei der Belieferung des Großhandels. „Wir empfehlen unseren Mitgliedsbetrieben, die Besatzdichte in den Ställen zu verringern“, sagt Ell-Schnurr, „und sich stärker auf den lokalen Direktverkauf zu konzentrieren.“

Zurück in die baden-württembergische Provinz, nach Künzelsau-Mäusdorf, zurück zum Brunnenhof. Der bildet nämlich eine Ausnahme: Hier seien trotz Medienwirbel und Verbraucherängsten die Verkaufszahlen bislang stabil geblieben. Privatkunden, Großküchen oder anthroposophische Einrichtungen halten dem Brunnenhof die Treue, weil sie die Erzeuger genau kennen. Pro Jahr werden dort rund 4.000 Landgockel, 4.000 bis 5.000 Puten und 300 bis 400 Gänse zur Schlachtbank geführt, nach wie vor so behutsam wie möglich – ohne lange Transportwege und ohne automatisiertes Schlachthaus.

Transparenz für den Verbraucher, Respekt vor dem Tier, „von der Aufzucht bis zur Einkaufstüte des Verbrauchers“, sind die Prinzipien von Noz, der auch seine eigenen Mitarbeiter mal rüffelt, wenn diese achtlos mit einem geschlachteten Tier hantieren. Dieser Respekt geht sogar über den Stall hinaus: „Wenn der Fuchs mal einen Gockel für seine Jungen holt, geht das in Ordnung.“ Der Kreislauf der Natur, Rudolf Steiners kosmische Rhythmen – auf dem Brunnenhof bringt man die anthroposophische Philosophie weitgehend mit wirtschaftlichen Anforderungen in Einklang: Geflügelmist wird zu Dünger oder mit anderen Höfen gegen Getreide getauscht.

„Diese geisteswissenschaftlichen Regeln können auch zum Korsett werden“, sagt Maik Noz, „man muss sie eben weiterentwickeln“, ohne dabei aufs Kreislaufdenken zu verzichten: Seine Küken etwa zieht Noz inzwischen auch mithilfe von tierischem Eiweiß aus Eiern auf. Und trotz der für Geflügel geltenden Stallpflicht müssen die Puten und Landgockel von Maik Noz nicht einmal auf den Lauf der Sonne verzichten: Das Federvieh ist schon seit fünf Jahren in komplett lichtdurchlässigen Folienhäusern untergebracht und erlebt dort Tag-und-Nacht-Wechsel statt Neonröhren und Zeitschaltuhr. Dank der Foliengebäude, die Noz von dem Hersteller anthroposophischer Pharmaprodukte Weleda erwarb, „können wir auf derlei Manipulationen verzichten“, sagt der Landwirt, „und viel billiger als ein konventioneller Stall sind sie auch.“

Auch bei den Endprodukten setzt Noz auf Innovation, will seinen Kunden viel mehr bieten als „Brust oder Keule“. Im Hofladen – auch die Vermarktung liegt in eigener Hand – finden sich Putenschultermedaillons oder Landgockel-Fingerfood, dank eigener Zerlegemethoden. „Vielleicht“, sagt er, „ist es in der Landwirtschaft für einen Quereinsteiger leichter, neue Ideen mitzubringen.“

Früher zerlegte Maik Noz Autos. Mit Anfang 20 begann der gelernte Kfz-Mechaniker dann seine landwirtschaftliche Ausbildung, absolvierte seine Lehrzeit auf einem konventionellen Hof am Bodensee. „Dass mein eigener Betrieb einmal biologisch-dynamisch sein würde, war von Anfang an klar“, sagt er heute – nach sieben Jahren Aufbauarbeit am eigenen, nun prämierten Hof, „und diesen Weg gehen wir weiter.“ Und dass das „Jahrsiebt“ in der anthroposophischen Philosophie ein Zeitpunkt bedeutsamer Umbrüche ist, hat sich für den Brunnenhof bewahrheitet, im besten Sinne.

Geflügel vom Brunnenhof, Tel. (0 79 40) 22 70, www.gefluegelvombrunnenhof.de