Grüne wollen sich einschwärzen

Kreisversammlung der Frankfurter Grünen beschloss, Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufzunehmen. EU-Abgeordneter Cohn-Bendit warnte vor Unverständnis bei den Wählern. Auch die SPD schließt Bündnis mit der CDU nicht mehr ganz aus

AUS FRANKFURT HEIDE PLATEN

Ein trüber Regen prasselte am Donnerstagabend auf den einsamen Plakatständer vor dem Gebäude des Frankfurter Energieversorgers Mainova mit der Zeile: „Sonntag: SPD wählen“. Vorbei. Drinnen tagte die Kreisversammlung der Grünen mit dem erklärten Ziel, die von Stimmenverlusten schwer gebeutelten Sozialdemokraten eine Woche nach der Kommunalwahl in die Opposition zu drängen. Die Grünenfraktion im Rathaus Römer und der Parteivorstand waren angetreten, die Zustimmung für Koalitionsverhandlungen mit der CDU zu erstreiten.

2001 hatte die Parteibasis das gleiche Ansinnen durch Mehrheitsentscheidung gekippt. Gekommen waren diesmal rund 150 vor allem altgediente Grüne, die die Jahre der Opposition im Stadtparlament, der Regierungsbeteiligung mit der SPD und die letzten fünf Jahre im Viererbündnis von CDU, SPD, Grünen und FDP gemeinsam durchgestanden haben. Der Streit blieb aus. Mit nur zwei Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen bekamen die Mandatsträger ihr Votum und werden sich heute zu ersten Sondierungsgesprächen mit den Christdemokraten treffen. Schwarz-Grün, schien es, war kein Thema mehr, das die Gemüter sonderlich erhitzen konnte. Der meistgesagte Satz lautete: „Vor fünf Jahren war ich noch dagegen, aber …“.

Während die Schnittmengen, die Fraktionsvorsitzender Lutz Sikorski und Vorstandssprecherin Andrea Lehr in Bildungs-, Familien- und Drogenpolitik ausmachten, eher vage diskutiert wurden, türmten sich die harten Themen Flughafen- und Autobahnausbau zu hohen Hürden für Verhandlungen mit der CDU. Vor allem die Ortsbeiräte aus den betroffenen Stadtteilen mahnten ihre Mandatsträger, hart zu bleiben, auf Dissens zu bestehen oder den Flughafenausbau wenigstens aus den Vereinbarungen auszuklammern.

Am kämpferischsten trat der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit auf. Er hatte sich in den vergangenen Jahren zwar immer wieder für Schwarz-Grün ausgesprochen und blieb doch fast der einzige, basisdemokratische Kritiker des angestrebten Bündnisses. Er verlangte mit Leidenschaft und lauter Stimme, dass die Verhandlungen nicht hinter verschlossenen Türen in „rammdösigen Nachtdiskussionen“ geführt werden dürften. Sie müssten öffentlich sein, in Bürgerforen oder im Internet diskutiert werden können. Viele der 25.000 Frankfurter Grünenwähler seien skeptisch. Die Vermittlung sei nicht „so gereift, wie Äpfel reifen“, sondern „eine diffizile Aufgabe“. Für den Streitpunkt Flughafen schlug er eine Bürgerbefragung vor. Damit löste er verdrießliches Gebrummel aus: „Ach, Dany!“ Die Versammlung lehnte beide Vorschläge ab.

Cohn-Bendit warnte auch davor, dass die von der Fraktion gelobte punktuelle Einvernehmlichkeit mit der CDU in den letzten Jahren kein Garant für die Stabilität einer Koalition sei, die gemeinsam nur über zwei Sitze Mehrheit verfüge. Bei geheimen Abstimmungen könnten christdemokratische Abweichler den schwarz-grünen Träumen sehr schnell ein Ende bereiten.

Eine schwarz-rote Koalition wäre mit 58 Sitzen weitaus komfortabler ausgestattet. Zwar hatte die SPD vor der Wahl eine große Koalition kategorisch ausgeschlossen, sich aber gestern noch vor den Grünen mit der CDU getroffen und durchsickern lassen, dass einige ihrer Mandatsträger durchaus geneigt seien, alte Feindschaften mit der Union durch einen Führungswechsel aus der Welt zu schaffen.

Am Ende gab die grüne Versammlung der siebenköpfigen Verhandlungskommission noch auf, in jedem Fall eine Regierungsbeteiligung der FDP zu vermeiden. HEIDE PLATEN