Wohl oder Vehe?

Nach dem 0:2 bei Hertha schwinden die Uefa-Cup-Chancen der Stuttgarter so rasant wie die ihres Trainers Armin Veh auf Weiterbeschäftigung

„Armin Veh tut mir ein bisschen leid“

AUS BERLIN RONNY BLASCHKE

Armin Veh stand vor der Tür der Presseraums. Er hatte sich nicht den gemütlichsten Platz ausgesucht, um über seine Zukunft zu plaudern. Schweißperlen tropften von seiner Stirn, er blickte nach links, nach rechts, und wieder nach links. Von allen Seiten wurde er mit Fragen beworfen, viele Konjunktive versteckten sich darin, viele „hätte“, „wenn“ und „aber“. Armin Veh gab geduldig Auskunft. Er suchte nach Antworten, die er eigentlich gar nicht finden konnte. Weil sie in der Zukunft liegen – und in der Vergangenheit.

Armin Veh, 45, ist seit sechs Wochen Trainer des VfB Stuttgart. Er verwaltet das undurchsichtige Erbe des Italieners Giovanni Trapattoni. Vermutlich bekleidet er eines der undankbarsten Ämter in der Bundesliga. Wie ein Schauspieler auf der Suche nach einer neuen Heimatbühne spielt er derzeit beim VfB vor. Und es mehren sich die Eindrücke nach dem 0:2 bei Hertha BSC, dass die Stuttgarter Intendanten demnächst den Daumen senken und den Vertrag bis zum Saisonende nicht verlängern werden. „Die Situation ist sicherlich nicht besser geworden“, sagte Veh. Und die Journalisten nickten.

Es war eine klägliche Stuttgarter Darbietung. Während die erstarkte Hertha erfrischend nach vorn spielte und sich im Schneckenrennen um den letzten verbliebenen Uefa-Cup-Startplatz die Poleposition sicherte, trotteten die VfB-Profis gelangweilt durchs Olympiastadion, ihre Torchancen waren an einer Hand abzuzählen. Der VfB hat seit fünf Spielen nicht gewonnen. „Wir hatten wieder zu viele Ausfälle in der Mannschaft“, klagte Teammanager Horst Heldt. Trainer Veh stimmte ein: „Mit 28 erzielten Toren gehörst du eigentlich nicht da oben hin.“ Oben? Stuttgart liegt auf Platz neun. Im Volksmund heißt das: Mittelmaß. Das erklärte Ziel, die Qualifikation fürs internationale Geschäft, ist in weite Ferne gerückt.

Folglich wird die Trainerdebatte vertieft. „Armin Veh tut mir ein bisschen leid“, sagte Horst Heldt. Als dem Trainer später von dieser Aussage berichtet wurde, gefroren seine Gesichtszüge für einen Moment, dann lachte er und suchte sein Heil in der Offensive: „Ich habe fast alle Register gezogen. In der nächsten Woche wird es anders zugehen.“ Er wird schärfere Maßnahmen ergreifen, um die Chance zu nutzen, die ihm scheinbar längst genommen worden ist. Veh hatte vieles probiert. Er hat kräftig in seiner Mannschaft rotiert. Vor dem Spiel in Berlin bezog er ein Trainingslager in Brandenburg – gebracht hat es nichts.

Doch Veh will sich in seinem monatelangen Casting im VfB-Theater nicht geschlagen geben: „Ich werde auf die Vereinsführung zugehen.“ Viel Zeit bleibt ihm nicht. Horst Heldt kündigte in Berlin an, dass es in den nächsten 14 Tagen eine Antwort auf die Trainerfrage geben werde. Es heißt, der Teammanager gehöre zur Fraktion pro Veh. Vermutlich erhöhte auch er deshalb den Druck auf die Mannschaft: „Wir haben viel gesagt. Jetzt werden wird handeln. Wer seine Leistung nicht bringt, wird keine Zukunft beim VfB haben – ob kurz- oder langfristig. Zur neuen Saison wird das Team definitiv anders aussehen.“

Klare Worte, doch die Entscheidung im Verein treffen andere: Aufsichtsratschef Dieter Hundt und Präsident Erwin Staudt. Es ist kein Geheimnis, dass Staudt nach den Gescheiterten Matthias Sammer und Trapattoni wieder einen großen Namen präsentieren möchte, am liebsten wohl Christoph Daum, unter dessen Leitung der VfB 1992 Deutscher Meister geworden war, der aber bis 2007 an Fenerbahce Istanbul gebunden ist.

Dass er die fragwürdigen Transfers und die offensichtlichen Fitnessprobleme mit dem nächsten Trainercoup überdecken will, sorgt in Stuttgart für erste Misstöne. Bei Sponsoren und Geschäftspartnern des Klubs soll es nicht gut ankommen, dass die ehemaligen Wirtschaftsbosse Staudt und Hundt sich hauptsächlich mit ihresgleichen umgeben, manche sprechen bereits von einem Kompetenzvakuum. Im Sommer wird es eine groß angelegte Renovierung geben, sie könnte sehr teuer ausfallen. Egal, welche Entscheidungen Erwin Staudt treffen wird, sollten es die falschen sein, dürfte der VfB Stuttgart in seinen Grundfesten erschüttert werden.