Kinderüberraschung

Borgfelds Nachwuchs erwischt die Politik auf dem falschen Fuß: In den familiengerechten Neubaugebieten fehlen Hort- und Kitaplätze – Tendenz steigend, Abhilfe nicht geplant

von Jeanette Simon

Es ist eines der größten Neubaugebiete Bremens. Über 1.200 neue Wohneinheiten sind dort in den vergangenen Jahren entstanden. Borgfeld: Heute leben etwa 2.700 Menschen mehr in diesem Stadtteil als noch vor fünf Jahren. Und der Strom der Zuzügler reißt nicht ab. „Für die kommenden Jahre erwarten wir, dass sich Borgfeld verdoppelt“, sagt Beiratsmitglied Jürgen Linke (Bündnis 90/ Die Grünen).

Attraktiv ist die City-Randlage vor allem für junge Familien, oft mit zwei oder mehr Kindern. Toll, denn genau diese Klientel vom Wegzug nach Lilienthal abzuhalten, war ja auch die erklärte politische Absicht, als der damalige Bausenator Bernt Schulte 1999 den ersten Spaten ins Borgfelder Erdreich rammte. Einstellen wollte man sich darauf aber nicht so recht. Zwar sagt Ortsamtsleiter Johannes Huesmann tapfer, in Sachen Infrastruktur habe sich bereits einiges getan. So seien „der Bau der Grundschule, eines Kindergartens und einer Sporthalle später geplant“ und nur aufgrund des „unerwartet hohen Bedarfs“ vorgezogen worden.

So moderat-moderierend sehen das in Borgfeld aber nur die wenigsten: Es könne „nicht angehen“, wettert beispielsweise Ortsbeiratsprecherin Gabi Piontkowski (CDU) in Richtung Senat, dass „Familien nach Borgfeld gelockt“ würden, ohne dass für „die notwendige Infrastruktur“ gesorgt sei. Einstimmig hat man deshalb die zuständigen Senatsressorts aufgefordert, für ausreichend Hortplätze und eine befriedigende Schulraumsituation zu sorgen. Die Erfolgsaussichten sind – eher mager.

Wegen der schnellen Besiedelung des Gebietes – vor allem durch Familien mit Kindern – gebe es viel zu wenig Hortplätze, heißt es im Beiratsbeschluss. Entsprechend der Versorgungsquote müssten Hortplätze für 15 Prozent aller Grundschulkinder vorhanden sein. 88 Plätze bräuchte Borgfeld dementsprechend. Es gibt aber nur 58. Schlecht, denn „Familien, die sich in Borgfeld ansiedeln“, so Piontkowski, „sind in der Regel auf die Einkommen beider Eltern angewiesen.“ Sie müssten nämlich ihre Häuser finanzieren.

Um aktuell möglichst viele Kinder betreuen zu können, nutzen die Schule „Am Borgfelder Saatland“ und der Kindergarten „Murmel“ derzeit einen Raum gemeinsam: Vormittags wird unterrichtet, nachmittags ist dort Hortbetrieb mit 20 Kindern. Trotzdem konnte allein „Murmel“ acht Kinder nicht aufnehmen. Prekär wird die Lage, wenn ab 2007 wieder die Grundschule alleine über den Raum verfügt. Verzichten könne sie darauf nicht, befürchtet Linke. Auch die Schule nämlich gilt als zu klein, und auch die derzeitigen Pläne für den Anbau würden wohl zu knapp bemessen. Mindestens einen zusätzlichen neuen Fachraum fordern die Beiratsmitglieder daher. Nur so könne wenigstens die provisorische Lösung weiter laufen, die „Murmel“ wenigstens den geteilten Platz behalten.

„Pauschal in einer Einrichtung die Anzahl der Hortplätze auszuweiten ist leider bei der finanziellen Situation Bremens nicht möglich“, teilt die Sprecherin des Sozialressorts Heidrun Ide mit. Man versuche aber in jedem Einzelfall, in dem ein Hortplatz fehle, eine individuelle Lösung zu finden. Vier der Kinder, die von Murmel abgewiesen werden mussten, sind derzeit „individuell“ bei einer Tagesmutter oder bei der Oma untergebracht – oder ein Elternteil arbeitet nur noch in Teilzeit.