ausgehen und rumstehen
: Frühlingsblumen von Kirsty Gunn

Der Samstag beginnt um zwölf Uhr mittags, weil ich erst um halb fünf ins Bett gekommen bin. Ich musste ein Buch fertig lesen, „This Place You Return To Is Home“ von Kirsty Gunn. Ich kam nur langsam voran, weil in diesem Buch eine Menge schöner Sätze stehen, die ich immer und immer wieder las. Den Nachmittag verbringe ich deshalb am Schreibtisch und schreibe meine Lieblingssätze mit schwarzem Filzstift auf grauen Karton und bastele dazu postkartengroße Passepartouts. Ich möchte die Sätze heute Abend meinen Freunden schenken.

Ich bin der Letzte, der im Prater eintrudelt, aber niemand ist mir böse. Alle freuen sich über die Sätze von Kirsty Gunn, die ich ihnen wie Frühlingsblumen überreiche. Wir trinken Rotwein, Wodka und Schwarzbier. Anschließend essen wir noch gemeinsam einen Hotdog auf der Kastanienallee, bevor sich unsere Wege trennen. Holger und Markus wollen zum Karrera Klub im Bastard, Julia ist im Coffy's verabredet. Wir übrigen fahren quer durch die Stadt nach Schöneberg zu einer Party, wo keiner den Gastgeber kennt.

Die Party ist eine Einweihungsparty. In einer Ecke sind Umzugskartons übereinander gestapelt. Der Gastgeber heißt Philipp, er ist Grafiker, und ich kenne ihn doch. Ich gebe ihm die Flasche Prosecco vom Spätkauf und meinen letzten Kirsty-Gunn-Satz. In der Wohnung gibt es jede Menge Flügeltüren, die sich öffnen und schließen lassen. In einem Zimmer sitzt eine Frau am Klavier. Sie spielt langsame Lieder, während ihr ein Mann den Rücken massiert. Sonst ist niemand im Raum, und ich mache die Tür leise wieder zu. Im Schlafzimmer liegt ein Berg Jacken auf einem Doppelbett. Aus dem größten Zimmer, das man schon Salon nennen kann, kommt finnischer Tango aus einem Notebook. Er verbreitet sich von dort durch alle Räume. Im Hintergrund hört man das Klavier. Johanna und Nadine haben ihre Erdbeerbowlegläser auf die Fensterbank gestellt und sind auf der Tanzfläche. Sie tanzen Wange an Wange und halten sich an den Hüften.

Später unterhalte ich mich in der Küche mit Lena. Sie erzählt von Patrick. Ihre Ohrläppchen sind durchstochen, aber sie trägt keine Ohrringe. Ab und zu berührt sie sie mit den Fingerspitzen, vorsichtig, wie eine offene Wunde. „Endlich Frühling“, sage ich.

Um halb sieben falle ich müde in mein Bett. Draußen kommt das Licht in aller Stille. This place you return to is home, denke ich. Und dann denke ich noch: Dieser 1. April ist wirklich ein guter Tag gewesen. DANIEL KLAUS