Randale macht ratlos

Nach den Randalen am Samstagabend in Kreuzberg fahndet die Polizei nach den rund 20 Tätern. Anwohner vermuten, dass Kurden für die kurzen, aber heftigen Ausschreitungen verantwortlich sind – beweisen können sie es nicht

An der Kreuzung Adalbert-/Oranienstraße in Kreuzberg herrscht normaler Betrieb – wie jeden Montag. Fast nichts deutet darauf hin, dass hier am Samstagabend 20 vermummte Personen Autos demolierten, Reifen anzündeten und eine Restaurant-Scheibe einwarfen. Über den Hintergrund ist wenig bekannt. Selbst Anwohner schweigen lieber darüber – und wenn sie etwas sagen, dann anonym.

So etwa ein Angestellter des betroffenen Restaurants „Hasir“. Der türkische Mann regt sich lautstark auf. „Das waren 20 maskierte Jugendliche“, sagt er, während er hektisch einen Kunden bedient. Sie seien an dem Lokal vorbeigezogen und hätten eine große Scheibe eingeschlagen. „Hier saßen Kinder drin“, schimpft er, „die Randalierer sollen sich schämen.“ Wer die Täter waren, ist für ihn klar: „Das müssen Kurden gewesen sein.“ Begründen kann er seinen Verdacht aber nicht: Er habe die Täter nicht erkannt.

Auch ein türkisches Ehepaar, das einen Laden an der Oranienstraße betreibt, hat die Randale miterlebt. „Ich hatte telefoniert, als der Radau losging“, sagt die Frau. Sie sei auf die Straße gelaufen, um nachzusehen, was draußen passiert. „Als ich den brennenden Reifen sah, bin ich mit den Kindern ins Geschäft zurückgegangen.“ Ob sie Angst gehabt hatte? „Nein, das sind wir doch hier gewohnt“, sagt sie mit einem Achselzucken im Hinblick auf die Krawalle zum 1. Mai.

Das Paar glaubt auch, dass vor allem Kurden an den Randalen beteiligt waren. „Es waren aber sicher keine Terroristen, sondern nur Kinder“, so der Mann. Für ihn liegt das Problem jedoch nicht in Kreuzberg, sondern in der Türkei. „Die Politik der dortigen Regierung ist schlecht“, sagt er. Menschenrechte würden nicht geachtet, Probleme nicht gelöst. „Das frustriert auch hier die Jugendlichen.“

Riza Baran ist Grünen-Politiker und Vorsitzender der Kurdischen Demokratischen Gemeinde zu Berlin/Brandenburg. Er hat sich gestern Morgen vor Ort einen Überblick über die Ereignisse verschafft. „Ich bin schockiert, fast sprachlos“, erklärt er. An Spekulationen über die Täter möchte er sich nicht beteiligen. Eines steht für Baran fest: „Egal, welche Gruppierung dafür verantwortlich ist: Ich verurteile diese Ereignisse aufs Schärfste.“ Die Demokratisierung in der Türkei gehe voran. „Das Verhalten der Randalierer ist weder für uns noch für die Menschen in der Türkei förderlich“, mahnt Baran.

„Wir ermitteln in alle Richtung, auch in die kurdische“, sagt Polizeisprecher Michael Merkel. Die Ermittlungen werden sich allerdings hinziehen. „Wir müssen erst die Zeugen einladen und dann anhören.“ Als einziger Anwohner der Kreuzung möchte Özcan Dedeoglu seinen Namen nennen. Ihm gehört ein Café direkt neben dem Hasir. „Ich bin seit rund vier Jahren hier und habe das zum ersten Mal erlebt“, sagt er mit ruhiger Stimme. Gesehen hat er nicht viel. Nur Jugendliche, die an seinem Laden vorbeigelaufen sind. „Sie waren aber sehr aggressiv“, betont Dedeoglu. Kays Al-Khanak