Die Netze, die Macht und das Geld

ÜBERBLICK Die Erfahrungen anderer Großstädte, die nicht privatisiert oder zurückgekauft haben, sind durchweg positiv – energiepolitisch und finanziell

Die Idee, privatisierte Versorgungsunternehmen zurückzukaufen, hat Konjunktur. Bezeichnend ist, dass keine Stadt, die ihre Stadtwerke in öffentlicher Hand behielt, jetzt noch an einen Verkauf denkt. Es gehe, so das Wuppertaler Klimainstitut in einer Studie, „um die mit eigenen Stadtwerken verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten“. Oder, wie es die Energiewissenschaftlerin Claudia Kempfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung formuliert: „Wer die Netze hat, hat die Macht.“

Laut der Dresdner CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz, die ihre Stadtwerke rekommunalisiert hat, ist die Sache klar: Investitionen bei der Energieversorgung würden sich „viel stärker an kommunalen Interessen orientieren als an denen privater Großkonzerne“. Außerdem kämen „die Gewinne den kommunalen Haushalten zugute“.

Vorbild München

Vorbild für viele Kommunen ist die bayrische Landeshauptstadt München, die ihre Stadtwerke SWM nie privatisiert hat. Dieser zu 100 Prozent kommunale Versorger ist – nach den fünf privaten Konzernen RWE, Eon, EnBW, Vattenfall und EWE sowie den Kölner Stadtwerken – die Nummer sieben in Deutschland und überweist Jahr für Jahr etwa 200 Millionen Euro Überschuss ins Münchner Stadtsäckel.

„Im Jahr 2008 hatten wir eine einzige Windkraftanlage in Betrieb“, erläutert der Münchner Geschäftsführer Thomas Meerpohl, „dann haben wir umgesteuert.“ Die neuen Ziele lauten, bis 2015 alle Privathaushalte mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen, bis 2025 auch Industrie und Gewerbe.

„Wir wollen als erste deutsche Großstadt und als erste Millionenstadt auf der Welt zu 100 Prozent auf Ökostrom umstellen“, sagt Meerpohl. Dafür wollen die SWM bis 2025 jährlich 500 Millionen Euro in Wasserkraftwerke, Photovoltaik und Windenergie investieren.

Beispiel Hannover

Auch Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover gehört zu den Großstädten, die ihre Stadtwerke hübsch ordentlich behielten. Der Gestaltungseffekt: Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 beschloss der rot-grüne Stadtrat, dass die Stadtwerke keinen Atomstrom mehr beziehen dürfen. Faktisch ist Hannover seitdem atomstromfreie Zone. Der Finanzeffekt: Die Stadt verdient gut. 2011 und 2012 überwiesen die Stadtwerke jeweils gut 100 Millionen Euro Gewinn in den Haushalt.

Nachzügler Bremen

Seit 2010 wird in Bremen diskutiert, ob der Stadtstaat nicht wenigstens einen Teil der Anteile an seinen Strom- und Gasversorgungsnetzen rekommunalisieren sollte, wenn nach 20 Jahren die Verträge mit dem örtlichen Energieanbieter SWB auslaufen. 25,1 Prozent will Bremen zurück, seit Monaten laufen die Verhandlungen – immer mit einem Seitenblick auf die Geschehnisse in Hamburg und Berlin.

Die Mutterfirma der SWB-Stadtwerke, der Oldenburger EWE-Konzern, möchte weite Bereiche der beiden Unternehmen zusammenlegen – befürchtet wird, dass dabei Stellen in Bremen wegfallen. Allerdings hat sich Bremen eine Standortgarantie für die SWB geben lassen. Würde Bremen der EWE bei den Rationalisierungs-Plänen entgegenkommen, könnte diese ihre 25,1 Prozent an der Netzgesellschaft abtreten, so der mögliche Deal.  SMV/KAWE