Unweiblich sind die Komikerinnen

HUMOR Pädagogisch und biedermännisch wird’s, wenn Jakob Hein und Jürgen Witte über„Deutsche und Humor. Geschichte einer Feindschaft“ sprechen

Es wird geklagt über die „Gespaltenheit der Gesellschaft in Bezug auf Humor“

VON JÖRG SUNDERMEIER

Eckhard Henscheid ist ein Meister der Komik. Er ist einer der komischsten Autoren deutscher Zunge, hat eine große Anhängerschar und wurde sogar mit einer Werkausgabe geehrt. Seine Texte, vor allem seine ersten Bücher, weisen Kennerschaft und Können auf. Henscheid wurde daher auch mit einigen Kunstpreisen bedacht. Allein, dass genügt dem Mann nicht, er will mehr. Seit vielen Jahren zieht er ein Stefan-George-Gesicht und klagt darüber, dass man ihn nicht genug ehre. Und in seiner Sucht nach Anerkennung und seinem so ausgestellten Minderwertigkeitskomplex beschimpft er all jene, deren Anerkennung er erringen möchte, in so peinlicher Weise, dass man sich abwenden muss.

Vielen großen und auch kleineren komischen Künstlerinnen und Künstlern geht es so. Sobald sie sich verkannt fühlen, zetern sie in übler Stammtischmanier herum und wehklagen wie hundert Beerdigungsgesellschaften. So auch Jakob Hein und Jürgen Witte, die unlängst das Buch „Deutsche und Humor. Geschichte einer Feindschaft“ veröffentlicht haben. Sie jammern über die Humorlosigkeit der Jury des Deutschen Buchpreises oder des Deutschen Filmpreises, beklagen die „Gespaltenheit der Gesellschaft in Bezug auf Humor“ und wollen dann, ganz pädagogisch, ihren Leserinnen und Lesern ein bisschen Humor vermitteln beziehungsweise nachweisen, wie seriös und kompetent ein komischer Künstler ist.

Dabei reihen sie biedermännisch Binsenweisheiten aneinander, zitieren ein paar berühmte One-Liner und Aperçus nach und kommen nicht wirklich zum Punkt. Vielmehr sagen sie, nachdem sie beispielsweise die Entstehung von Marcel Duchamps berühmten Readymade „The Fountain“ recht einfältig beschreiben, das Folgende: „Mittlerweile wird der Witz des Dadaisten Duchamp ernst genommen. Heute lachen allenfalls noch die Unverständigen im Publikum. Die Verständigen dagegen werden zu langen, weitschweifigen Erklärungen ausholen.“ Ja und, fragt man sich, was stört’s den Baum, wenn das Schwein sich dran reibt? Hein und Witte aber wollen den Applaus genau jener „Verständigen“ einklagen, weswegen sie selbst zu langen, weitschweifigen Erklärungen ausholen. Selbstredend darf in einer solchen weitschweifigen Erörterung „die Frau“ und ihr Verhältnis zu Humor nicht ausgelassen werden, und es wird im entsprechenden Kapitel mit altbackenen Thesen umhergeworfen, dass es kracht. Etwa mit jener, dass „die Frau“, von der Gesellschaft zur Schönheit gezwungen, nun darauf bedacht sei, diese Schönheit zu wahren, weswegen sie sich nicht „hässlich“ mache, was für die humorvolle Kunst aber notwendig sei. Generationen von Schauspielerinnen in Komödien (und Tragödien ebenso) werden sich erstaunt die Augen reiben.

Aber Hein und Witte ist es damit nicht genug, sie schreiben: „Darum sind komische Frauen selten für ihre Schönheit bekannt. Sicher sehen Anke Engelke, Sarah Silverman oder Ingrid Steeger gut aus, aber bekannt sind oder wurden sie nicht für ihre Schönheit, sondern ihre gewissermaßen unweiblichen Züge.“

Am Donnerstag nun wollten Witte und Hein mit zwei Kollegen und einer Kollegin auf dem Internationalen Literaturfestival über ihr Buch sprechen, und obschon Silke Burmester, Kurt Krömer und F. W. Bernstein sehr bekannt sind, war der große Saal im Haus der Berliner Festspiele nur zur Hälfte gefüllt. Sind die Deutschen also wirklich humorfeindlich? Man weiß es nicht, im Publikum jedenfalls herrschte so große Lachlust, dass sogar ernste Sätze begackert wurden.

Leider hatte sich die Frage des Abends auch gleich zu Beginn der Veranstaltung erledigt. Bernstein nämlich antwortete den lustlos moderierenden Witte und Hein, dass er die Komik gar nicht als Hochkunst anerkannt haben wolle: Nur als „niedere Kunst“ sei sie frei. Auch Burmester und Krömer wollten sich partout nicht grämen. Krömer meinte, er sei sehr zufrieden gewesen, als er den „Deutschen Kleinkunstpreis“ erhalten habe, er schätze diesen mehr als seinen Grimmepreis, denn Ersterer sei vielen seiner Vorbilder verliehen worden, er sähe sich gern in dieser Reihe. Bernstein merkte dann noch an, dass „Großmeister“ wie Loriot allerorten ausführlichst geehrt würden, Otto Walkes habe sogar zu seinem 65. Geburtstag „mehr Seiten im Spiegel erhalten als die meisten wichtigen Politiker“.

Nun hätten Hein und Witte ja einschwenken können und mit Bernstein (ehemaliger Hochschullehrer), Burmester (Grimme-Jurorin) und Krömer (Macher seiner Fernsehshow) über Techniken des Komischen reden können, doch Hein witzelte lieber, derweil Witte sich ganz aus der Runde heraushielt. Sind die Deutschen also auf Kriegsfuß mit dem Humor? Braucht es zwei Autoren, die oberlehrerhaft Staatspreise für komische Kunst einfordern, obschon diese eigentlich subversiv ist oder sein sollte?

Vielleicht sollte eine humorlose Jury beide, die ja auch sehr gute Texte geschrieben haben, mal bepreisen, und die Sache wäre erledigt. Denn ein weiterer Jammerhenscheid wäre unerträglich.