Charles Taylor steht vor Gericht

Liberias früherer Präsident wird beim UN-Tribunal in Sierra Leone wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeklagt. Unterstelltes Motiv: Diamanten

BERLIN taz ■ Der Expräsident von Liberia, Charles Taylor, ist gestern Nachmittag erstmals dem UN-Kriegsverbrechertribunal für Sierra Leone vorgeführt worden. In der sierra-leonischen Hauptstadt Freetown wurde die Anklage gegen ihn verlesen.

Taylor, Präsident Liberias von 1996–2003 und danach im nigerianischen Exil, war vergangene Woche beim Versuch der Flucht nach Kamerun festgenommen und über Liberia an das UN-Tribunal überstellt worden. Dem Liberianer wird vorgeworfen, in Sierra Leone die Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front) unterstützt zu haben, die in den 90er-Jahren die zivilen Regime des Landes bekämpfte. Wegen ihrer brutalen Verbrechen an Zivilisten stehen mehrere RUF-Führer bereits beim UN-Tribunal vor Gericht.

Laut der vom Tribunal veröffentlichten Anklageschrift vom 16. März werden Taylor „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorgeworfen, namentlich Terrorisierung der Zivilbevölkerung, illegale Tötungen, sexuelle Gewalt, körperliche Gewalt, Rekrutierung von Kindersoldaten, Zwangsarbeit und Plünderung. Er habe dies natürlich nicht selbst getan, sondern „Kontrolle über untergeordnete Mitglieder“ der RUF sowie der kurzlebigen RUF-unterstützten Militärjunta von 1997–1998 in Sierra Leone ausgeübt. Diese Art der Anklage gleicht der gegen Slobodan Milošević beim UN-Tribunal für Jugoslawien in Den Haag.

„Von Anfang an stellte der Beklagte der RUF Hilfe, Ermutigung und Führung zur Verfügung“, so die Anklageschrift. Taylor habe schon für die allerersten RUF-Angriffe in Sierra Leone 1991 Kämpfer zur Verfügung gestellt und habe mit Sierra Leones Rebellen das gemeinsame Ziel verfolgt, „politische und physische Kontrolle über das Staatsgebiet von Sierra Leone, insbesondere die Diamantenfördergebiete“ zu erringen. „Die natürlichen Ressourcen Sierra Leones, besonders die Diamanten, sollten vorrangig dem Beklagten und anderen Personen außerhalb Sierra Leones geliefert werden.“

Taylors Verteidigung kündigte an, die Anklage abweisen und auch die Zuständigkeit des Tribunals nicht anzuerkennen. Hochrangige Mitarbeiter Taylors aus seiner Zeit als Präsident wollen allerdings gegen ihn aussagen, berichten liberianische Medien – Exaußenminister Monie Captan, Exverteidigungssprecher Tom Woewiyu, Exgeheimdienstchef Benjamin Yeaten.

Die RUF in Sierra Leone, mittlerweile eine politische Partei mit geringem Einfluss, dementierte jede Verbindung zu Taylor. „Wir haben mit ihm nichts zu tun“, sagte RUF-Generalsekretär Jonathan Kposowa in Freetown. „Ich weiß nur, dass er ein guter Freund des verstorbenen RUF-Führers Foday Sankoh war. Taylor ist ein außergewöhnlicher Mensch mit viel krimineller Ideologie.“ DOMINIC JOHNSON