Keine Rettung vor dem Elbhochwasser

Anders als nach der Jahrhundertflut vor vier Jahren gibt es kaum Kritik am Hochwasserschutz, weil neue Baumaßnahmen gegen das Hochwasser der Elbe nicht helfen würden. Weil sich Versicherungen zurückziehen, könnten Opfer leer ausgehen

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Entlang der Elbe in Sachsen richteten sich gestern die Blicke nach Tschechien. Sorge und Mitgefühl schwangen dabei mit. Die tschechische Regierung hat für die Hälfte der 14 Regionen den Notstand verhängt. Fünf Menschen sind bereits durch die Fluten gestorben. Während die Moldau und damit die Lage in Prag einigermaßen stabil blieb, stiegen andere Flüsse weiter an. Mit Sorge blicken sächsische Behörden und Einwohner vor allem auf die Elbpegel in der grenznahen Stadt Ústí oder dem beliebten Touristenort Hřensko im Elbsandsteingebirge, der vollständig unter Wasser steht. Denn nach einer Beruhigung am Wochenende rollt die voraussichtlich letzte Hochwasserwelle mit einem Anstieg um nochmals einen halben Meter heran.

Anders als bei der Jahrhundertflut 2002 ist eine Generalkritik am Hochwasserschutz bislang ausgeblieben. Die Deutsche Umwelthilfe DUH vermisst zwar nach wie vor einen nachhaltigen Schutz durch Renaturierung und zusätzliche Ausbreitungsräume. Doch nicht einmal die bündnisgrüne Landtagsfraktion in Dresden möchte derzeit Vorwürfe erheben und „mit dem Leid der Leute eine Debatte anzetteln“, wie Sprecher Andreas Jahnel sagte. Im Prinzip stimmt er Sachsens Umweltminister Stanislaw Tillich zu, dass am Oberlauf der Elbe weder durch Baumaßnahmen noch durch Überflutungsflächen durchgehende Sicherheit erreichbar ist.

Das schließt Kritik im Einzelfall am technischen Hochwasserschutz nicht aus. So ist ein rückwärtiger Deich bei Dresden-Gohlis eben noch nicht wie geplant erhöht worden, so dass der Ort „von hinten“ vom einströmenden Wasser erreicht wird. Bei Riesa wirkt eine neu errichtete Ortsumgehung wie ein Damm, dessen Wasserstau eine Ortschaft bedroht. Auch an dem nach 2002 prinzipiell verbesserten Katastrophenmanagement gibt es vereinzelt Kritik, wenn etwa Sandsäcke nicht rechtzeitig geliefert werden. Immerhin zeigt sich nun, dass die mit fast 50 Millionen Euro geförderte Absiedlung der erst in den Neunziger Jahren errichteten und 2002 völlig überfluteten Wohn- und Gewerbesiedlung Röderau-Süd bei Riesa richtig war.

Wenn man also Dresden, Pirna oder das schwer getroffene Bad Schandau im oberen Elbtal nicht absiedeln kann, stellt sich die Frage, ob im Hauptentstehungsgebiet Tschechien mehr für den Hochwasserschutz getan werden könnte. 2003 hat die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) einen Aktionsplan verabschiedet, dessen erste Evaluierung Ende dieses Jahres ansteht. Aber auch hier sieht Slavomír Vosika, gebürtiger Tscheche und in der Magdeburger Zentrale der IKSE tätig, kaum Reserven. Talsperren etwa im Quellgebiet der Elbe im Riesengebirge sehe der Aktionsplan nicht vor. Und Überflutungsflächen erlaube das gebirgige Landschaftsrelief nicht. „Die Moldau-Kaskaden haben die Hochwasserspitzen aber schon spürbar reguliert und Schlimmeres verhindert“, betont Vosika. Mit dem Hochwasser müsse man nun einmal leben.

Wer damit leben muss und den Schaden hat, kann diesmal nicht auf ein Hilfsprogramm von Land oder Bund hoffen. Das stellte ein sichtlich verlegener Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) klar und verwies auf Versicherungen und das Kreditprogramm der Sächsischen Aufbaubank. Am Sonntag ruderte er schon vorsichtig zurück. Man werde „Menschen in existenzieller Not nicht allein lassen“. Die Verbraucherzentrale Sachsen bestätigte Einzelberichte, nach denen in gefährdeten Gebieten nach 2002 Versicherungen gekündigt wurden und Neuabschlüsse nicht oder nur zu überteuerten Konditionen möglich waren. Expertin Andrea Hoffmann forderte erneut eine Elementarschaden-Pflichtversicherung. Größere Schäden als das Oberflächenwasser dürfte in den nächsten Tagen der gefährlich gestiegene Grundwasserpegel anrichten. Davon wären weit mehr Menschen betroffen als von dem jetzigen Hochwasser.