Thomas Mauch hört auf den Sound der Stadt

Und wenn jetzt Knall auf Fall das United Kingdom beschließen würde, seinen Musikexport zu regulieren und bis auf weiteres alle Ausfuhrmaßnahmen zu stoppen? Wäre schon ein Schock, ja, und manche Bühne blieb zwischendurch mal leer in der Stadt und im Karrera Klub würde man Däumchen statt Platten drehen. Aber trotz alledem käme man musikalisch prächtig durch diese Woche, was zum Beispiel auch daran liegt, dass bei der Musiker-auf-Einwohner-Verrechnung Island gegenüber Großbritannien längst die Nase vorn hat. Eigentlich scheint jeder Isländer ein Musiker zu sein, und die wollen dann alle auch in Berlin spielen, wo ihre isländischen Musikerfreunde schon wohnen. Auf einer Klassenfahrt des isländischen Bedroom-Community-Labels kommen dabei die nicht nur isländischen Künstler mit ihren Björk-, Grizzly-Bear- und sonstigen Verbindungen im Admiralspalast bei ihrer Whale Watching Tour nicht nacheinander, sondern gemeinsam, und das noch zusammen mit Streichern und Bläsern, auf die Bühne, was eine eigenwillige Verbindung von abgeklärten Folksongs mit Klangexperimenten verspricht. Und Afrika. Beim musikalischen Import-Export immer ein wenig im Hintertreffen, also mit einem wahnsinnig großen Einfluss auf den internationalen Pop und einer lächerlichen Rendite dafür. Mit seinem gewaltigen Afrobeat und -Jazz hätte Fela Kuti zum Beispiel eigentlich ein Megastar sein müssen, überall, und nicht nur in Nigeria. Femi Kuti führt das Erbe seines 1997 verstorbenen Vaters mit der Positive Force fort, am Dienstag in der Volksbühne. Und noch mehr Afrika, am Mittwoch im Lido, mit Victor Démé aus Burkina Faso, der eine Stimme mit der Gelassenheit eines Baaba Maal hat und eine fingerschnippende Musik macht, afrikanische Folklore mit etwas Latin, Blues und der ergreifenden Schlichtheit wie bei den besten Liedern eines Donovan. Aus Brasilien kommen Músicas intermináveis para viagem. Marie und Laura. Schlagzeug und Gitarre. Wobei man alle Samba- und Tralala-Klischees gleich vergessen darf und sich daran erinnern, dass auch Brasilien eine streng minimalistische, modernistische Traditionslinie hat. Das hier sind Instrumentalausfahrten, stoisch, bedächtig, unerbittlich, die man sich vorstellen darf wie Michael Rothers „Flammende Herzen“, die neu als Soundtrack für einen Spätwestern eingespielt wurden. Also Krautrock mit einem metaphorischen Cowboyhut. Aus Brasilien. Am Mittwoch im Kaffee Burger.

■ The Whale Watching Tour: Admiralspalast, So., 21 Uhr. 15 €

■ Femi Kuti & Positive Force: Volksbühne, Di., 21 Uhr. 22/18 €

■ Victor Démé: Lido, 21 Uhr. 20 €

■ Músicas intermináveis para viagem: Kaffee Burger, Mi., 21 Uhr. 5 €