Wer schreit, der bleibt

Von Abschiebung bedrohte Kinder und Jugendliche demonstrieren vor dem Landtag für ein Bleiberecht. CDU-Abgeordneter verspricht, sich für begrenzte Altfallregelung einzusetzen

AUS DÜSSELDORF HENK RAIJER

Sie sprechen Deutsch, besuchen deutsche Schulen, wollen sich in Deutschland weiterbilden, dürfen aber nicht. Rund 70 in Essen geborene und aufgewachsene Kinder von Bürgerkriegsflüchtlingen haben gestern in Düsseldorf mit Eltern und Vertretern arabischer Kulturvereine sowie Flüchtlingsorganisationen für eine großzügige Bleiberechtsregelung auf Landes- und Bundesebene demonstriert.

Ziel der Aktion vor dem Landtag war es, den Landespolitikern die Situation der Kinder in Erinnerung zu rufen und ihnen eine Fallsammlung über Jugendliche mit unsicherem Aufenthaltsstatus zu überreichen. Die Kundgebung, bei der Kinder vorwiegend libanesischer Herkunft mit selbst verfassten Slogans auf die fehlende Perspektive und die drohende Abschiebung hinwiesen, war Teil der bundesweiten Bleiberechtskampagne der Flüchtlingsbewegung. „Deutschland ist unsere Heimat“, „Wir sind voll integriert“ und „Wir brauchen eine berufliche Perspektive in Deutschland“ skandierten mehrere Jugendliche hinter der Bannmeilenabsperrung vor dem Landtag und lockten damit immerhin die Abgeordneten Britta Altenkamp (SPD) und Monika Düker (Grüne) ins Freie.

„Weißt du, warum du heute hier bist?“, fragte Düker, migrationspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, die zehnjährige Maisa. Die hielt der Grünen mit hoch erhobenen Armen ihr Plakat mit dem Schriftzug „Ich möchte nicht weg“ entgegen. „Weil ich hier bleiben will“, antwortete das Mädchen resolut.

„Wie soll ich mich integrieren, wenn mir keiner eine Chance gibt“, empörte sich Jamal. Der 20-jährige Libanese wurde in Essen geboren und hat einen Realschulabschluss. Eine Berufsausbildung darf er nicht machen, und so bleibt er auf Sozialhilfe angewiesen – bis er abgeschoben wird. „Dabei wurden mir Ausbildungsplätze angeboten“, erzählte Jamal, dessen Aufenthaltstitel wie der der meisten Demonstranten „ungeklärt“ ist. Rund 1.700 der 5.000 arabischsprachigen Flüchtlinge libanesischer Herkunft in Essen haben als Ausweis das Dokument „Aussetzung der Abschiebung (Duldung)“ und sind von Abschiebung in die Türkei bedroht. Den Familienvorständen wird vorgeworfen, ihre türkische Staatsbürgerschaft, die sie als Kurden vor ihrer Auswanderung in den Libanon mal hatten, verschleiert und somit für sich und ihre Nachfahren das Aufenthaltsrecht in Deutschland verwirkt zu haben.

„Wir wollen den Kindern eine Lebensperspektive geben“, erklärte dann während eines kurzen Gesprächs im Landtag Bernd Brack von Pro Asyl Essen. „Wir vermissen eine Altfallregelung und hoffen hier auf die Innenministerkonferenz im Mai.“ Eine „kleine Altfallregelung“ für jene Geduldeten in NRW, die für die jüngste Vergangenheit eine Arbeit nachweisen könnten oder die Bereitschaft dazu signalisiert hätten, wäre vielleicht drin, dämpfte Monika Düker Hoffnungen in die Innenministerkonferenz. Die will das Thema nach taz-Informationen allerdings erst auf ihrer übernächsten Konferenz im Herbst behandeln.

„Es ist gut, dass Sie heute hier sind“, versuchte sich der CDU-Abgeordnete Manfred Kuhmichel in Diplomatie. Er wolle sich mit den Kolleginnen Düker und Altenkamp in einer interfraktionellen Runde dafür einsetzen, dass die Innenministerkonferenz für eine begrenzte Gruppe die Altfallregelung wiederbelebe, die zuletzt 1999 in NRW zum Tragen kam. Für Burak Copur ist das zu wenig. „Wenn wir diese Kinder in der Perspektivlosigkeit lassen“, kritisierte der Vorsitzende des Integrationsausschusses der Stadt Essen am Rande der Gesprächsrunde im Landtag, „haben wir hier bald Verhältnisse wie an der Rütli-Schule in Berlin.“