neues aus neuseeland: tanzen auf leben und tod von ANKE RICHTER
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Man muss ihn einfach mögen, diesen Haka: Er hat Schmackes, er hat Rhythmus, er hat Muckis, er hat Stil. Auch wenn er einem die Zunge herausstreckt und dabei komisch die Augen rollt, so ist er zumindest politisch korrekt.

Ein Haka kommt immer wie gerufen, wenn etwas öffentlich gefeiert, geehrt, eröffnet oder begraben wird. Schon ist er da und lässt Fäuste auf braune Männerbrust trommeln, dass das Testosteron nur so zischt und die Tätowierungen hüpfen. Frauen und Halbwüchsige stehen besonders auf Haka. Und wer ihn nicht mag, der ist ein Spielverderber.

Als sich die angelsächsische Sportswelt kürzlich in Melbourne bei den „Commonwealth Games“ abquälte und eine wochenlange Ertüchtigungsveranstaltung ablaufen ließ, die von kenianischem Cricket bis zu walisischem Wasserballett reichte und wenig Olympiareifes zutage brachte, wurde mal wieder klar, wer Fan und wer Feind ist. Um das müde Stadion aufzulockern, brachten die Neuseeländer ihrer Mannschaft in schöner Regelmäßigkeit ein Ständchen: Der Haka wurde zu jedem An- und Ablass aufgeführt. Aus reiner Freude.

Fälschlicherweise gilt das imposante Maori-Ritual weltweit als „Kriegstanz“, wo es doch unzählige Haka für unzählige Anlässe gibt. Sogar pazifistische. Selbst Captain James Cook soll bei seiner Ankunft an den Ufern Aotearoas irgendwann begriffen haben, dass die verschärfte Volkstanzversion nicht Bedrohung, sondern ethnischer Willkommensgruß war. Da hatten seine Männer aber bereits ein paar Eingeborene erlegt. Ein kleines kulturelles Missverständnis.

Der bekannteste und beliebteste Haka, Ka Mate („Es ist Tod, es ist Tod“), wird seit 100 Jahren vor jedem Spiel von der Rugby-Nationalmannschaft All Blacks aufgeführt und lässt den Gegnern das Blut gefrieren. Es ist das überlieferte Siegesgeheul des blutrünstigen Maori-Häuptlings Te Rauparaha, der einst über die Stämme der Südinsel herfiel. Die All Blacks haben sich kürzlich von ihrem Klassiker getrennt und haben zur Freude wie Irritation mancher den „neuen Haka“ im Programm. Der endet, auch nicht ganz ungefährlich, mit der Geste des Kehle-Durchschneidens. Das jedoch interessierte die Rent-a-Haka-Fraktion bei den Commonwealth-Spielen nicht: Es wurde auf Leben und Tod „Ka Mate“ gebrüllt und gestampft. Jeder tanzt, so viel er kann – Hakarena statt La-Ola-Welle.

Als die unermüdlichen Kiwi-Krieger selbst eine wenig glorreiche Bronzemedaille beim Freistilstaffelschwimmen mit ihrer Darbietung bedachten, reichte es den Australiern: Enough sei enough, beschwerten sich die Sportkommentatoren. Langsam habe es sich ausgehakat. Der Vorsitzende der Commonwealth-Spiele stellte sicherheitshalber noch mal fest, dass das inflationäre Ritual bei der Abschlusszeremonie nicht erwünscht sei.

Diesen Affront ließ Dave Currie, der neuseeländische Teamchef, nicht unkommentiert auf sich sitzen. „Hier geht es darum, sich auszudrücken“, blaffte er zurück. Seine Drohung klingelte den Veranstaltern in den Ohren. Currie kündigte an, dass seine Leute auch spontan in einen Haka ausbrechen könnten, wenn es keine Medaille zu feiern gäbe. Die Alternative der Gegenseite sei allemal schlechter – alle fünf Minuten der Schlachtruf: „Aussie, Aussie, Aussie – oi, oi, oi!“