„Unterhalt ist kein Selbstläufer mehr“

Familienanwältin Ingeborg Rakete-Dombek begrüßt den Entwurf für ein neues Unterhaltsrecht. Doch alle Probleme seien so nicht gelöst

taz: Frau Rakete-Dombek, brauchen wir denn ein neues Unterhaltsrecht?

Ingeborg Rakete-Dombek: Ja. Denn ich bin nicht zufrieden mit der alten Regelung. Nehmen wir etwa die Rangfolge beim Unterhalt, wenn nicht genügend Geld für alle da ist. Das Problem hat der Entwurf gelöst, indem er die Kinder an die erste Stelle setzt, was dann zunächst einmal von allen begrüßt wird. Tatsächlich wird dadurch aber der Topf für die Unterhaltszahlungen nicht größer, sondern es wird für die Erwachsenen enger, auch noch etwas abzubekommen.

Welche Punkte werden denn durch das Gesetz nicht geregelt?

Zum Beispiel die Frage: Wann hat man keinen Anspruch auf Unterhalt mehr? Da sagt das Gesetz nur: Wenn man mit jemandem lange wie in einer Ehe zusammenlebt, also in einer so genannten verfestigten Lebensgemeinschaft, dann entfällt der Unterhalt. Es werden aber keine Kriterien genannt.

Wie müssten die Kriterien aussehen?

Es müsste schlicht und einfach festgelegt werden: Wann ist eine Gemeinschaft so verfestigt, dass sie der Ehe gleicht. Da haben wir nur weiter eine Einzelfallrechtsprechung. Es gibt Gerichte, die sagen, das ist eine verfestigte Partnerschaft, und andere behaupten das Gegenteil. Das hilft uns nicht weiter.

In der CDU/CSU gibt es Widerstand gegen das Gesetz. Die Institution Ehe sei in Gefahr. Teilen sie die Kritik?

Ich meine nicht, dass durch eine Neuregelung des Unterhalts die Institution Ehe gefährdet ist. Ich kann mir aber vorstellen, was manche stört: Eine Partnerin, die eine Ehe zerstört hat und mit dem neuen Mann ein Kind bekommt, steht auf einer Stufe mit der verlassenen Ehefrau. Das Gesetz wählt da jetzt einen einfachen Weg und sagt: Alle, die Kinder betreuen, sind beim Unterhalt gleich zu behandeln.

Frau Zypries sagt, dass durch das Gesetz Väter wieder mehr Unterhalt zahlen würden. Glauben Sie das auch?

Das könnte sein. Aus meiner Erfahrung ist es jedenfalls so, dass es leichter zu vermitteln ist, für Kinder zu zahlen, als für eine Frau, die den Mann für einen anderen verlassen hat.

Alles in allem, ist die Gesetzesvorlage der große Wurf?

Nein. Im Unterhaltsrecht werden sich immer wieder neue Probleme ergeben, weil es im Grunde einer Einzelfallprüfung bedarf. Sie können doch nicht alle Beziehungen mit Kindern, ohne Kinder, mit volljährigen Kindern, mit langer Ehedauer, mit kurzer Ehedauer usw. über einen Kamm scheren. Wir werden immer wieder Einzelfälle erleben, in denen sich die Gerichte etwas ganz Besonderes einfallen lassen müssen, um dem Fall gerecht zu werden.

Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung?

Ich denke schon, aber es wird immer wieder Reformen geben und Reformen brauchen.

Was würde sich für Sie als Anwältin ändern, wenn das neue Gesetz in Kraft träte?

Ich denke, dass wir sehr viel detaillierter vortragen müssen, ob jemand nach der Ehe Unterhalt bekommt oder nicht. Das ist kein Selbstläufer mehr.

INTERVIEW: MAURITIUS MUCH