Unterschriftenflut erreicht Landtag

Die Volksinitiative „Jugend braucht Vertrauen“ überreicht im Landtag 100.000 Proteststimmen gegen Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit. Auch Frauenhaus-Vertreterinnen geben Unterschriften gegen Einsparungen ab

DÜSSELDORF taz ■ Die Volksinitiative „Jugend braucht Vertrauen“ zwingt erneut den Landtag, sich mit dem Budget für Kinder und Jugendarbeit zu beschäftigen. Ihre Sprecher haben gestern etwas mehr als 100.000 Unterschriften an die Regierungspräsidentin Regina van Dinther (CDU) und ihren Stellvertreter Edgar Moron (SPD) übergeben – 34.000 Stimmen über dem Soll. Die Forderung der Initiative: Die Regierung soll die geplanten Kürzungen bei der Kinder- und Jugendarbeit zurücknehmen.

Vom Vertrauensbruch, den die Jugendvertreter der Regierung vorwerfen, war im Landtag keine Rede mehr. „Das passt nicht in den offiziellen Rahmen“, sagte Sprecher Wilhelm Müller. Wohl auch nicht das große Transparent, das die Volksinitiative dabei hatte: „Wir sind hier nicht bei einer Demonstration“, sagte Vizepräsident Moron, und forderte das Einrollen des Plakats.

Dabei fühlen sich die VertreterInnen der Kinder- und Jugendarbeit von der Regierung betrogen: 2004 hatten sie bereits eine erfolgreiche Volksinitiative durchgeführt – mit Unterstützung der damaligen Oppositionsparteien CDU und FDP. Der Landtag beschloss daraufhin ein Kinder- und Jugendfördergesetz, in dem für 2006 eine Erhöhung der Gelder für die Kinder- und Jugendarbeit versprochen wurden: von 75 Millionen auf 96 Millionen. Nun an der Regierung, hat Schwarz-Gelb die Erhöhung für den kommenden Haushalt nicht eingeplant. „Für die Kinder und Jugendlichen hat die Politik an Glaubwürdigkeit verloren“, sagte Sprecher Martin Wonik.

Moron forderte die Initiative indirekt auf, bei einem Nichterreichen ihrer Ziele nicht aufzugeben. „Sie haben ja immer noch die Möglichkeit, mit einem Volksbegehren und einem Volksentscheid weiterzumachen“, stellte er in Aussicht. „Sie bringen die Menschen ja auf Gedanken“, warf Christian Lindner, jugendpolitischer Sprecher der FDP, ein. Moron gab zu, er fände das „einfach mal interessant.“

Tatsächlich hat es in NRW wegen der hohen Hürden noch nie einen Volksentscheid gegeben. Denn dafür sind zwei Millionen Unterstützerstimmen nötig. 2004 wurden allerdings die Regeln gelockert: Unterschriften müssen jetzt nicht mehr in Ämtern, sondern dürfen auf der Straße gesammelt werden.

Übergeben wurden gestern auch 25.000 Unterschriften gegen die Kürzungen bei den Frauenhäusern – direkt an Frauenminister Armin Laschet (CDU). Die Einsparungen des Etats um 30 Prozent bewirken in jedem der 62 Häuser den Wegfall einer Sozialpädagogin. „Wir müssen jetzt am Wochenende und abends den AB einschalten“, sagte Marion Steffens, Mitarbeiterin eines Frauenhauses. In NRW sind die Plätze für misshandelte Frauen jetzt schon extrem begrenzt: „Auf 14.000 Einwohnerinnen kommt ein Platz im Frauenhaus.“ Im Ranking der Bundesländer läge NRW auf Platz 11.

Gegen die Einschnitte bei den Frauenhäusern, bei Jugendarbeit, Kindergärten und diversen Beratungsstellen sammelt zurzeit auch die Volksinitiative NRW 2006 Unterschriften. Auch sie hat die Marke von 66.000 Stimmen bereits überschritten.NATALIE WIESMANN