Vertane Chancen

WORUM ES GEHT Familienministerin Schröder hätte für Frauen und Männer so einiges bewegen können. Das ist ihr nicht gelungen

Jahrgang 1964, ist Urberlinerin und hat Germanistik, Slawistik und Journalistik studiert. Sie hat bei Tageszeitungen, für Rundfunk und TV gearbeitet. Seit 2009 ist sie taz-Inlandsredakteurin mit den Schwerpunkten Geschlechterpolitik, Familie und Soziales. Sie hat mehrere Bücher geschrieben, vor allem über Familie.

VON SIMONE SCHMOLLACK

Wenn die schwarz-gelbe Koalition ein Revival erlebt – wer darf bleiben und wer geht? Familienministerin Kristina Schröder (CDU) zum Beispiel. Ob sie nach der Wahl zurück in ihr Ministeramt will, ist nicht ganz klar. Relativ klar hingegen scheint zu sein, dass sie nicht wirklich gewollt ist.

Aber warum? Verkörpert die Ministerin nicht ein modernes, emanzipatorisches Frauenbild? Kristina Schröder – 36, klug, machtbewusst – hat eine steile Karriere hingelegt: Studium, Promotion, Partei, Ministerin mit 32. Sie die erste Frau in Deutschland, die in einem solchen Amt Mutter geworden ist. Nach allem, was bekannt ist, vereinbart sie Job und Familie ganz wunderbar. Warum also soll sie nicht weitermachen?

Ihr „Mutterdasein“ sei ihr wichtiger als ihr „Ministerdasein“. So zumindest wurde sie mal von einem „politischen Freund“ zitiert. Dieser Satz ist bemerkenswert. Weil er einerseits Verständnis für Frauen hervorruft, die sich in einer ähnlichen Lage befinden wie Schröder: Dauerhafte Präsenz und Verfügbarkeit vereinbaren sich tatsächlich nicht in jedem Fall mit einem Familienleben, das auch mal Ruhephasen braucht. Und ja, Zeit mit dem Kind ist wertvoll.

Andererseits schwingt in dem Satz genau jene Abwertung von Frauen mit, die sich nicht entscheiden wollen zwischen Karriere und Kind, sondern beides wollen. Und beides mit Bravour meistern. Über die Vereinbarkeitsproblematik in Deutschland wird zwar viel geredet und jede Menge geschrieben. Aber sie zu leben passt nach wie vor nicht ins (Frauen-)Bild.

Somit hat Kristina Schröder selbst dazu beigetragen, dass man ihr jetzt dieses Heimchen-am-Herd-Image verpasst. In den vergangenen vier Jahren ist sie eher mit antiemanzipatorischer Politik aufgefallen. Frauenquote? Nö. Elterngeld für Hartz-IV-EmpfängerInnen? Gestrichen. Familienpflegezeit? Gefloppt. Familienbewusste Arbeitszeiten? Stehen auf dem Papier. Anstatt sich gegen das rückwärtsgewandte Betreuungsgeld starkzumachen und sich damit zu profilieren, hat sie stets nur auf den Koalitionsvertrag verwiesen.

Unabhängig davon, dass auch andere schwarz-gelbe Vereinbarungen nicht umgesetzt wurden, kann man die Koalitionsräson auch mal hinter sich lassen. Ursula von der Leyen, Schröders Amtsvorgängerin, hat es vorgemacht. Wie eine Löwin hat sie für die Quote gekämpft, sie hat zahlreiche Mitstreiterinnen hinter sich geschart und den Aufstand gewagt – gegen das Kabinett und gegen Schröder. Zwar erfolglos, aber immer, wenn es um die Quote geht, denkt man zuerst an von der Leyen und nicht an die zuständige Frauenministerin.

Wenn sich Schröder dann aber mal mit interessanten Überlegungen zu Wort meldet, wird sie entweder in gewohnter Weise kritisiert – oder schlicht überhört. Gerade neulich wieder, als sie bundesweite Qualitätsstandards für Kitas forderte. Was ist falsch daran festzulegen, wie viele Kinder in einer Gruppe sein dürfen und wie groß der Spielplatz sein muss? Einheitlich für die gesamte Republik und nicht wie jetzt in jedem Bundesland unterschiedlich?

Bis auf die SPD, die draufgehauen hat, hat niemand davon Notiz genommen. Stattdessen wird in den Medien das Buch der katholischen Vierfachmutter und Hausfrau Birgit Kelle hochgejazzt. Die wird den rechtspopulistischen Männerrechtlern zugerechnet und hält den Muttermythos hoch. Sie hat studiert, ist Vorsitzende des Vereins Frau 2000plus und sagt in Interviews: „Ich wurde schwanger. In dem Moment hörte ich auf, über meine berufliche Laufbahn nachzudenken.“ In einem Newsletter auf ihrer Website schreibt sie: „Der größte Grund, der Frauen und auch Männer davon abhält, Nachwuchs zu bekommen, ist dies negative Gerede über Probleme, Lohnausfall, Karriereknick, Altersarmut und Co.“ Sie gibt aber zu, „ein echtes Problem“ zu haben, würde ihr Mann sie morgen verlassen: „Ich müsste mir eine Vollzeitstelle suchen und meine Kinder fremdbetreuen lassen.“ Das Ganze verkauft Kelle als „Wahlfreiheit“ – ein Begriff, den Schröder gern im Zusammenhang mit dem Betreuungsgeld gebraucht.