Keine Eierproduktionsmaschine

Ökobauer Carsten Bauck hält in der Lüneburger Heide 4.000 Legehennen und 750 Masthähnchen. Er glaubt nicht, dass eine Stallpflicht den Vogelgrippe-Virus aufhält

taz: Herr Bauck, viele niedersächsische Biobauern wehren sich dagegen, dass sie ihre Hühner einsperren müssen, um den Vogelgrippe-Virus aufzuhalten. Warum?

Carsten Bauck: Weil offensichtlich die Aufstallung an sich nichts bringt. In Frankreich, wo die Vogelgrippe einen Nutztierbestand befallen hat, handelte es sich um ein geschlossenes System. Der Demeter-Verband, dem ich angehöre, hat intensiven Kontakt zu Virologen. Die gehen davon aus, dass die Tiere durch engen Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Kot angesteckt werden. Der Transport von Tieren oder Tierprodukten stellt daher eine viel größere Gefahr dar als die Übertragung des Virus von Wildvögeln auf freilaufendes Hausgeflügel.

Auch in der ökologischen Landwirtschaft werden Tiere transportiert …

Ich sage nicht, dass wir frei sind von Gefahren. Ich halte aber nichts davon, die Rechte von Tieren zu verletzen, um präventiven Seuchenschutz zu betreiben, wenn die Übertragungswege des Virus nicht erforscht sind. Hier wird der im Grundgesetz verankerte Tierschutz mit Füßen getreten, um den Verbraucher in Sicherheit zu wiegen. Das ist blanker Aktionismus, der sich auf dem Rücken der Tiere austobt.

Glauben Sie, dass es mit mehr Bio-Landwirtschaft weniger Seuchen gäbe?

Grundsätzlich ist die Immunabwehr bei einem Tier, das seine Bedürfnisse befriedigen kann, besser. Das ist wie bei einem Kind, das im Dreck spielt. Das hat bessere Abwehrkräfte als eines, das sich ständig bei 20 Grad in einer blitzblanken Wohnung aufhält. Allerdings ist der Vogelgrippe-Virus H5N1 sehr aggressiv. Der überwindet alle Barrieren.

Was geschieht mit ihren Hühnern, falls eines die Vogelgrippe kriegt?

Dann wird der komplette Bestand gekeult. Es wird eine Sperrzone eingerichtet. Es läuft das komplette Programm ab wie bei einem konventionellen Betrieb. Damit Sie mich recht verstehen: Ich bin nicht gegen das System, sondern dafür, dass es vernünftig hinterfragt wird.

Woran denken Sie dabei?

Jeder, der seinen gesunden Menschenverstand benutzt, kann sich vorstellen, dass ein Virus nicht vor einer geschlossenen Stalltür Halt macht. Die nächste Frage ist, was solche Gesetze mit unseren Lebensmitteln machen. Wir haben immer weniger Möglichkeiten, unsere Tiere und Pflanzen so zu erzeugen, wie wir glauben, dass es optimal für sie ist. Das Huhn ist ja nicht nur eine Eierproduktionsmaschine. Es ist ein Lebewesen, das auf komplexe Weise in seine Umwelt eingebunden ist. Man kann nicht sagen: Da ist was passiert, wir reagieren – und schon kann der Verbraucher wieder Geflügel essen.Interview: Gernot Knödler