Blauprügeln teurer als Schwarzfahren

Fahrkartenkontrolleur wird wegen mehrfacher schwerer Körperverletzung zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Zu Beginn des Prozesses hatten sechs ehemalige Wachschützer auf der Anklagebank gesessen

„In unseren Verkehrsmitteln dürfen keine Zustände herrschen wie im Wilden Westen“

Wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen und Körperverletzung in einem Fall ist gestern der ehemalige Fahrscheinkontrolleur Okan C. zu insgesamt 15 Monaten Haft verurteilt worden. Die Strafe wurde auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Verfahren gegen einen weiteren Beschuldigten wurde gegen Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro eingestellt. Damit endete nach fünf Verhandlungstagen der bislang größte Prozess gegen U-Bahn-Kontrolleure. Sie waren Mitarbeiter einer privaten Wachschutz-GmbH, die Fahrgäste im Auftrag der BVG kontrolliert.

Im Laufe des Prozesses war die Zahl der Beschuldigten stetig gesunken. Am 9. März, dem ersten Verhandlungstag, waren noch sechs Wachschützer wegen insgesamt zehn verschiedener Vorfälle angeklagt. Ihnen wurde schwere Körperverletzung vorgeworfen, die sie zum Teil gemeinschaftlich ausgeführt haben sollen.

Gleich zu Beginn war jedoch das Verfahren gegen den Angeklagten Dennis B. abgetrennt worden. Laut Zeugenaussagen war er zwar an den meisten Fällen, für die C. nun verurteilt wurde, beteiligt. Weil er sich aber als Soldat auf Auslandseinsatz befand, war er nur schwer vorzuladen. Bei zwei weiteren Angeklagten wurde das Verfahren eingestellt, weil sie in ähnlichen Fällen schon verurteilt waren. Ein dritter wurde freigesprochen, weil sich nicht mehr einwandfrei nachweisen ließ, ob er bei der Tat auf dem Oberkörper des Opfers oder den Beinen gekniet hat. Der Großteil der Übergriffe hatte sich bereits zwischen Dezember 2002 und August 2003 ereignet. Entsprechend groß waren die Gedächtnislücken einiger ZeugInnen.

Der Geschädigte Christian S. trat im Prozess als Nebenkläger auf. Er war nach eigenen Angaben von zwei der Beschuldigten in der U-Bahn zunächst aggressiv aufgefordert worden, seinen Fahrschein und anschließend seinen Ausweis zu zeigen. Da der Kontrolleur sich nicht als solcher zu erkennen gegeben habe, habe er ihn nicht weiter beachtet, berichtet Christian S. Beim Aussteigen habe ihn dann ein Kontrolleur sofort angesprungen und ihm den Arm verdreht. Als er zum BVG-Dienstraum auf dem Bahnsteig abgeführt worden sei, habe ihm einer der Männer von hinten ins Haar gegriffen und ihm den Kopf an den Türrahmen geschlagen.

Rachegefühle hegt Christian S. dennoch nicht. Es gehe ihm nicht darum, die Beschuldigten hinter Gitter zu bringen, sondern um die Praktiken der BVG und der privaten Sicherheitsfirma Wachschutz, sagte der Geschädigte.

Lüko Becker, der Anwalt der Nebenklage, zeigte sich weitgehend zufrieden mit dem Urteil. Die Vorwürfe hätten sich im Großen und Ganzen bestätigt, meinte er am Rande des Prozesses. Zudem habe sich gezeigt, dass es sinnvoll sei, wenn Betroffene die Vorfälle zur Anzeige bringen. Er äußerte jedoch auch frei nach Bert Brecht Kritik: Man sehe nur die im Lichte. Und die, die im Dunkeln geblieben sind, seien die BVG und die Wachschutzfirma. Es sei für das Strafmaß entscheidend, ob der Befehl von oben kam oder ob die Kontrolleure aus eigenem Antrieb gehandelt hätten, so Becker.

Auch der Verurteilte Okan C. verwies in einem Teilgeständnis auf die Arbeitsbedingungen und entschuldigte sich für seine Vergehen. Er habe bei der Wachschutzfirma bald nach den Vorfällen gekündigt, weil er den psychischen Stress nicht mehr ausgehalten habe.

Amtsrichter Eberhard Lenz meinte denn auch in der Urteilsbegründung, dass die Kontrolleure unzureichend geschult und nicht auf psychische Ausnahmesituationen vorbereitet gewesen seien. Das rechtfertige jedoch nicht die teils brutale Gewalt, mit der vorgegangen worden sei. „In unseren Verkehrsmitteln dürfen schließlich keine Zustände herrschen wie im Wilden Westen“, so Lenz. JÖRG MEYER