Hochwasser erreicht den Norden

Elbe fließt jetzt auch in der Altstadt von Hitzacker. Sorge um die Deiche flussaufwärts

BERLIN taz ■ Das Hochwasser der Elbe hat den Norden erreicht. Im niedersächsischen Hitzacker trat der Fluss gestern über die Ufer. Etwa ein Drittel der historischen Altstadt wurde überflutet. Der Pegelstand lag am Vormittag hier bei 7,10 Meter und damit nur 40 Zentimeter unter dem Höchststand während der Flut im August 2002. In den kommenden Tagen ist ein weiterer Anstieg auf etwa 7,20 bis 7,30 Meter zu erwarten, sagte Wolfgang Piepenburg vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz.

Der rapide Anstieg des Wassers hänge vermutlich mit den starken Regenfällen sowie mit der noch kargen Vegetation am Elbufer zusammen, sagte der Hochwasserexperte. Der ursprünglich für Anfang nächster Woche vorhergesagte Scheitelpunkt werde nun bereits zum Wochenende eintreten. Hitzacker wird nicht von einem Deich geschützt. Denn die geplante Hochwasser-Schutzmaßnahmen wurden bisher noch nicht umgesetzt.

Auch in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg sind die Pegelstände gestern weiter gestiegen. Im Landkreis Prignitz in Nordostbrandenburg ist die Lage nach Einschätzung von Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) ähnlich kritisch wie im Katastrophenjahr 2002. Sorge bereite nicht nur der hohe Wasserstand, sondern auch der große Druck auf die Deiche durch die lange Dauer des Hochwassers, so Woidke. Im Norden Sachsen-Anhalts seien viele Deiche bereits stark durchgeweicht, erklärte das Landratsamt Stendal.

Schwierig ist die Lage insbesondere an den Mündungen von Nebenflüssen. Zum Teil können sie nicht mehr in die Elbe abfließen, weil deren Wasserstand zu hoch ist – bei Tangermünde lag der Pegel gestern bei 7,16 Meter, normal sind 2,50 Meter.

In Sachsen ging das Hochwasser leicht zurück, von einer Entwarnung könne aber noch keine Rede sein, hieß es aus der Landeshochwasserzentrale. Seit dem Höchstwert von 7,49 Meter am Dienstag sei das Wasser kaum mehr als einen Zentimeter pro Stunde gesunken. Die Deiche sind „enorm belastet und müssen immer wieder ausgebessert und verstärkt werden“, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung. Im Landkreis Sächsische Schweiz besteht für die noch immer überfluteten Orte Bad Schandau, Kurort Rathen, Königstein, Stadt Wehlen, Pirna und Heidenau weiter Katastrophenalarm.

Der Schaden, den das diesjährige Elbehochwasser angerichtet hat, wird allerdings weit unter dem der Flut von 2002 bleiben. Der Versicherungskonzern Allianz schätzt, dass er seinen Kunden voraussichtlich Schäden in Höhe von rund 15 Millionen Euro ersetzen muss. Bei dem Hochwasser 2002 hatte der versicherte Schaden insgesamt mehr als 1,7 Milliarden Euro betragen. Die Hälfte davon trug die Allianz.BENJAMIN WÜNSCH