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hört auf den Sound der Stadt

MALTE Göbel

Bayern sind grundsätzlich seltsam, das weiß man in Berlin schon lange. Wiesn, Tracht und CSU, dazu noch dieser fürchterliche Dialekt, das ist ja alles nicht zum Aushalten! Und nein, das sind nicht nur Vorurteile, sogar die Bayern selbst sehen sich kritisch. „Schizophrene Heimatverbundenheit“ attestierten Kofelgschroa sich selbst, und, ja, da haben sie nicht so ganz unrecht: Ihre Musik würde eher in Wirtshaus, Bierzelt oder Almhütte passen als am Dienstag ins Ritter Butzke. Oder gerade nicht? Die vier jungen Männer sind am Fuße des Alpenbergs Kofel in Oberammergau aufgewachsen, tiefstes Oberbayern, entsprechend pflegen sie heimatliche Mundart, spielen Horn, Tuba, Akkordeon und Gitarre. Ihre Songs heißen „Sog ned“, „Wann I“ oder „Jaeh I Di“, und in Bayern werden sie gerade gefeiert. Micha Acher (The Notwist) produzierte ihre selbstbetitelte Debütplatte, der Zündfunk rühmte sie für „ihr valentineskes und schelmisches Auftreten“, sie bekamen den Förderpreis für Musik der Stadt München als „Popmusik-Neuentdeckung des vergangenen Jahres“, und sogar auf die Leinwand kommen sie: Die Dokumentarfilmerin Barbara Weber begleitete sie über drei Jahre, „Der Schlanz“ heißt das Ergebnis. Womöglich folgen sie mit ihrem urbayrischen Sound LaBrassBanda, die in den letzten Jahren von der kleinen heimatlichen Kapelle zur Blasmusik-Boyband avancierten, ihr Bundesland beim Bundesvision Song Contest vertraten und die großen Festivalbühnen bei Hurricane und Southside enterten. Frage bleibt, ob das in Berlin über die exilbayrische Gemeinde hinaus funktioniert, ob „gute Musik keine Genregrenzen kennt“, wie das die Bandinfo postuliert, oder ob Genres nicht gerade erfunden wurden, um sich von gewissen Sounds abzugrenzen. Das muss wohl jedeR für sich entscheiden. Vorband ist Alp Baku, feiner Indie-Pop mit Ukulele. (24. 9., 21 Uhr, Ritterstr. 26)

Bleiben wir in Berlin: Mit den Bands Masonne und Das Zuckende Vakuum machte Tonia Reeh virtuosen Krach, war danach als Monotekktoni die Berliner Indie-Electro-Queen – und nun bringt sie unter ihrem bürgerlichen Namen schon die zweite Platte mit akustischer Piano-Popmusik heraus, begleitet vom österreichischen Experimental-Schlagwerker Rudi Fischerlehner an den Drums. „Fight of the Stupid“ heißt das mal düstere, mal mitreißende Album, das sie Samstag im Urban Spree präsentiert, übrigens bei einer Doppel-Release-Party: Auch die Australierin Justine Electra veröffentlicht mit „Green Disco“ eine neue Platte – ihre zweite nach dem Debüt „Soft Rock“ 2006, als sie mit ihrem Mix aus Blues, R & B, Electronica und Folk den Nerv der Zeit traf und als neue Joni Mitchell gefeiert wurde. (21. 9., 21 Uhr, Revaler Str. 99)

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