IMMER MEHR FUSSBALLER WIDMEN JEMANDEM WAS
: Ein Tor für Emmy

über das Ansingen höherer Mächte

ALBERT HEFELE

November 2008. Länderspiel Deutschland – England. Patrick Helmes schießt das 1:1 und reckt anschließend den rechten Zeigefinger gen Himmel. Was will er uns zeigen? Einen Kometen? Den Großen Wagen/Bären, die Milchstraße? Weit gefehlt. Patrick Helmes widmet dieses sein erstes Tor im Nationaltrikot einem Hund. Wie bitte? Jawohl, seinem Hund Emmy, der dahingegangen ist und dies im auch im für Hunde zarten Alter (mal sieben nehmen!) von sieben Monaten. Helmes, der nicht völlig schwachsinnig wirkt, hat dieses Tor tatsächlich einem Hund gewidmet. Warum denn das? Was hat er davon, was hat der Hund davon? Selbst wenn er tatsächlich irgendwo da oben gelandet wäre? Vielleicht gerade an einer Wolke das Bein hebend?

Ein anderer Fall: Was hatte Frank Lampards Mutter davon, dass ihr guter Sohn sie kurz nach ihrem Tode zu jeder Brotzeit vom grünen Rasen aus anrief? Ist doch rührend, wie der Sohn an seine Mutter denkt? Und seine Trauer vor schätzungsweise 10 Millionen Zuguckern zelebriert? Daran ist nichts rührend. Das ist widerwärtig und aufdringlich und völlig unpassend. Sogar wenn es um eine Mutter geht. Von Helmes Hund gar nicht zu reden. Beide marschieren aber nur an der Spitze eines immer größer werdenden Heeres von sportlichen Matschbirnen, die es aus irgendeinem Grunde schick finden, ihren Glauben – oder was sie dafür halten – vor dem Stehplatzpöbel auszubreiten.

Aktuelle Beweise: Cacau, als Brasilianer sowieso gläubig wie nur was, und – leider – der ansonsten sympathisch zurückhaltende und als Fußballer über jeden Zweifel erhabene Messi: Augen zum Himmel und die Arme gen jenen gereckt. Bereit, himmlische Unterstützung zu empfangen oder doch zumindest Dank auszusprechen für eine sehr gut/fast/überhaupt nicht gelungene Aktion. Das erzielte Tor, aber auch der Pfostenschuss und der völlig misslungene Querschläger. Der rechtgläubige Akteur bedankt sich im Prinzip für alles. Denn schließlich ist alles in Jesu/Mohammeds/Mutters/Hundes Hand.

Was ist da los? Aus einem nicht linear nachvollziehbaren Grund greift das Ansingen höherer Mächte um sich wie vor ein paar Wochen noch die Schweinegrippe. Abgesehen davon, dass man nicht wenig bescheuert sein muss, um allen Ernstes der Überzeugung zu sein, dass höhere Instanzen (Schöpfer des Universums et al.) nichts anderes im Sinn hätten, als sich um geschossene oder nicht geschossene Tore und geglückte oder nicht geglückte Freistöße zu kümmern: Wenn sich das weiterhin so entwickelt, werden große Teile des Personals ständig mit Dankesbezeigungen und dem Anrufen höherer Instanzen und/oder jüngst Verstorbener beschäftigt sein. Torhüter bedanken sich für den gelungenen Abschlag, für die gefaustete Ecke oder dafür, dass ein Elfmeter nicht gegeben wird. Verteidiger feiern das gute Tackling, noch im Dreck liegend. Und jeder in der Raute den gelungenen Pass bzw. den erfolgreich bestandenen Zweikampf. Von den Stürmern gar nicht zu reden. Die kommen aus dem Armerecken und Die-Augen-zum-Himmel-Aufschlagen gar nicht mehr heraus. Auf der ganzen Fußballwiese wogt es auf und nieder wie in einer Tanzszene aus der „West Side Story“.

Irgendwann weiß der Schiri nicht mehr, wo hinten und vorn ist. Apropos hinten und vorn. Der Schiri muss sich natürlich auch für allerlei bedanken. Und sei es nur dafür, dass ihm keiner an die Wäsche geht.