BRITTA PETERSEN ÜBER KRIEG UND OPFER IN AFGHANISTAN
: Das Verdrängte kehrt zurück

Jeder Mensch, der durch die Hand eines anderen ums Leben kommt, ist ein Toter zu viel. Man könnte deshalb Pazifist werden. Dann muss man aber auch bereit sein, entweder Unrecht und Gewalt hilflos zu ertragen oder im Stile Gandhis sein eigenes Leben in die Waagschale zu werfen.

Das kommt für die wenigsten in Frage; schon gar nicht für einen Staat, der eine Schutzfunktion gegenüber seinen Bürgern hat. Armeen sind deshalb unvermeidlich. Und im 21. Jahrhundert sind sie vor allem in asymmetrischer Kriegsführung mit einen Terrorismus konfrontiert, der keinen Staat kennt. Dies ist eine Erkenntnis, die sich in der deutschen Politik – mit Ausnahme der Linkspartei – längst durchgesetzt hat. Der Einsatz in Afghanistan ist unvermeidlich, weil sich Deutschland mit einem Rückzug als europäische Mittelmacht aus der Weltpolitik verabschieden würde.

Es ist deshalb hochgradig kontraproduktiv, bei jedem neuen Kriegstoten den Einsatz infrage zu stellen. Wir sind den Soldaten, die eine lebensgefährliche und wichtige Aufgabe übernehmen zu Dank verpflichtet und zu größtmöglicher Unterstützung von Seiten der Politik. Es ist ein Skandal, dass keine Bundesregierung bisher bereit war, den Bürgern reinen Wein über die Realität einzuschenken – und über die zukünftige Rolle Deutschlands in der Welt nachzudenken. Als Exportweltmeister können wir uns zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr im toten Winkel der Weltpolitik verstecken.

Das gilt auch für die Medien. Wir müssen im breiten Stil darüber reden, wer wir sind und was wir sein wollen und können. Falls US-General Stanley McChrystal die deutsche Politik nächste Woche daran erinnern sollte, wäre ihm zu danken. Denn es gilt auch für den Krieg die psychologische Erkenntnis: Alles Verdrängte kehrt zurück.

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