Kein Schwein gehabt

Schweinepest legt NRW-Landwirtschaft lahm: Seit gestern dürfen Tiere weder transportiert noch geschlachtet werden. Heute tagt Krisengipfel mit Bauernminister Uhlenberg und Fleischindustrie in Werl

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg (CDU) lädt heute zum Krisengipfel gegen die Schweinepest. In Werl trifft er sich mit den Chefs der Bauernverbände sowie mit Vertretern der Fleischindustrie, um über die Tierseuche zu beraten. „Es sollen Auswege gefunden werden, die den Landwirten helfen“, sagte ein Sprecher des Bauernministers der taz. Uhlenberg bleibe bei seiner Auffassung, dass die neuen Maßnahmen der EU-Kommission „überzogen“ seien.

Nach dem jüngsten Schweinepest-Ausbruch auf Betrieben in Haltern und Raesfeld sind in den Kreisen Recklinghausen, Borken und Wesel fast 30.000 Schweine getötet worden (taz berichtete). Seit gestern dürfen Schweine aus NRW zehn Tage lang weder transportiert noch geschlachtet werden. So will es die EU in Brüssel. Schweine aus anderen EU-Ländern dürfen nicht in NRW-Schlachthöfe gebracht werden. Uhlenberg hatte dagegen gefordert, auf eine Sperre von Schlachthöfen außerhalb der „Restriktionsgebiete“ zu verzichten, die infolge der Schweinepest eingerichtet wurden.

Zahlreiche Landwirte empfinden die Brüsseler Vorschriften als „bürokratischen Aktionismus“. Die EU-Anordnung habe zu „Schweine-Tourismus“ und „hektischen Schlachtaktionen“ in der Nacht auf Freitag geführt, um Schweine vor Beginn der Sperrfrist los zu werden.

Allein im Schlachthof in Unna seien in der Nacht zum Freitag rund 1.200 Schweine geschlachtet worden, sagte der Landwirt und frühere grüne Bundestagsabgeordnete Friedrich Ostendorff: „Das waren anarchische Zustände. Es gab hundert Meter lange Schlangen.“ Landwirtschaftsminister Uhlenberg wirft er vor, dass er zu spät reagiert habe. „Der kümmert sich nur um seinen Kampf gegen freilaufende Hennen. Die Schweinepest hat er total verpennt. Dabei ist das das viel wichtigere Thema. Die Bauern drehen durch“, sagte Ostendorff.

Die Landtags-Grünen haben angesichts „der dramatischen Zuspitzung und des inzwischen krisenhaften Ausmaßes der Schweinepest in NRW“ einen Fragenkatalog an Minister Uhlenberg geschickt. SPD-Verbraucherschutzsprecherin Annette Watermann-Krass hält die EU-Sanktionen für „tiefgreifend, aber angemessen“. Es sei richtig, dass die EU das Krisenmanagement übernehme. Wichtig seien Schadenersatzregelungen für die Landwirtschaft.

Über die Höhe der Einnahmeverluste für Bauern und Fleischindustrie kann der westfälisch-lippische Landwirtschaftsverband derzeit keine Angaben machen. Sprecher Hans-Heinrich Berghorn: „Bis Ende März beliefen sich die Verluste auf 12 Millionen Euro. Wie hoch die Schadenssumme insgesamt sein wird, muss am Ende ausgerechnet werden.“ Gemeinsam mit Minister Uhlenberg wolle man erreichen, dass die Brüsseler Vorschriften in der kommenden Woche wieder abgemildert werden.