KOMMENTAR VON KLAUS HILLENBRAND
: Die Natur schlägt nicht zurück, sie spuckt einfach

Ein Vulkan sorgt für eine Entschleunigung, von der wir bislang nur träumen konnten

Asche. Winzige Partikel, ausgestoßen von einem Vulkan am nördlichen Ende Europas. Man kann sich viele Varianten vorstellen, warum Probleme im europäischen Transportwesen entstehen: Streiks, überlastete Luftstraßen, vielleicht noch ein Blackout, möglicherweise gar demonstrierende Startbahngegner. Aber ein Vulkan stand bis dato nicht auf dieser Liste.

Egal, ob man Fliegen nun ablehnt, weil es das Klima negativ beeinflusst, oder nichts schöner findet als den Steilflug in den Abendhimmel, Tatsache ist, dass die Fliegerei längst zu den scheinbar unverzichtbaren Einrichtungen zählt, auf die die Industriegesellschaft angewiesen ist. Nicht nur das neue iPad, sondern auch Geschäftsmenschen müssen eiligst zum richtigen Termin an den richtigen Ort transportiert werden. Zu ihnen zählen Klimaforscher ebenso wie der RWE-Vorstand. Millionen Jobs hängen am Flugbetrieb.

Die Asche macht alle diese Selbstverständlichkeiten der Mobilität zunichte. Nichts geht mehr, und kein Verkehrsminister kann daran etwas ändern. Es offenbart sich, dass es da noch einen Faktor gibt, der völlig in Vergessenheit geraten war: die Natur. Nein, die Natur schlägt nicht zurück. Die Natur hat auch keinen Plan. Sie rülpst uns ungefragt die Atmosphäre voll mit Asche und lässt die Flugzeuge nutzlos am Boden stehen. Politiker, Manager und Touristen landen, wo sie nie hinwollten, warten endlos, obwohl sie längst am Zielort oder daheim sein möchten, und erleben so eine schmerzhafte Entschleunigung, wie sie keine noch so radikale Umweltbewegung zustande bringen könnte. Doch zur Freude besteht kein Anlass.

Sollte diese Schmutzwolke in ein paar Tagen wieder abgezogen sein, bleibt das ganze Ereignis ein Ärgernis für viele Reisende und eine Fußnote im nächsten Jahresrückblick. Schließlich sind glücklicherweise keine Personenschäden zu beklagen. Aber was passiert, wenn der Vulkan anders über uns entscheidet, sich nicht beruhigt, sondern weiterspuckt? Nicht nur die Wirtschaftsforscher werden dann ihre Konjunkturprognosen umschreiben müssen.