Scheinschwangere Männer

Zunehmen, Übelkeit, Schlappheit – werdende Väter zeigen oft typische Symptome einer Schwangerschaft. Später können sie sogar Wochenbettdepressionen entwickeln

Der Bauch wächst und wächst –nicht nur bei schwangeren Frauen. Auch werdende Väter legen oft ordentlich an Kilos zu. Ursache ist nicht, dass sie sich zu eifrigen Mitessern entwickeln. Vielmehr können Männer scheinschwanger werden. So offenbarte eine kanadische Untersuchung ähnliche hormonelle Veränderungen wie bei den schwangeren Partnerinnen.

In Blutproben werdender Väter fanden die Forscher erhöhte Werte von Prolaktin, Cortisol und Testosteron. Besonders ausgeprägt waren diese Hormone bei Männern, die von typischen Schwangerschaftssymptome berichteten. Dazu gehören Müdigkeit, Gefühlsschwankungen und Übelkeit, aber auch positive Erscheinungen: „Als meine Frau schwanger war, bin ich noch optimistischer und ausgeglichener geworden“, berichtet Malek Bajbouj. Eine Entwicklung, die seine Partnerin ebenfalls durchmachte. „Es ist bekannt, dass Schwangerschaftshormone auch euphorisierend wirken können“, erklärt der Neurologe. Dicker wurde der Oberarzt an der Berliner Charité jedoch nicht. Im Gegenteil habe er abgenommen. „Das lag nicht daran, dass meine Frau mir alles weggegessen hat. Es hing mit meiner Art der Stressbewältigung zusammen.“

Nach der Geburt kann sich der Hormonspiegel von Vätern ebenso wie bei Müttern verändern, stellten die kanadischen Wissenschaftler fest. Die Konzentration der Botenstoffe sank; die Männer hatten ein Drittel weniger Testosteron im Blut. Ein Umstand, der fürsorgliches Verhalten begünstigte. Denn je niedriger die Menge des männlichen Sexualhormons war, desto liebevoller umsorgten die Väter ihren Nachwuchs. Das Forscherteam vermutet, dass sowohl das veränderte Verhalten von Schwangeren als auch von ihnen produzierte Geruchsstoffe die Hormonspiegel der Väter beeinflussen. Kein unbekannter Umstand, weiß Bajbouj: „Eine Reihe von Studien zeigt: Wenn man sich um jemanden sorgt, kann es über das Gehirn zu hormonellen Veränderungen kommen.“

Die Geburt ihres Sprösslings wirkt auf Männer nicht nur besänftigend: Eine Untersuchung an der Universität Oxford zeigte kürzlich, dass frisch gebackene Väter genauso wie Mütter unter postnatalen Depressionen leiden können. Bei 4 Prozent der knapp 4.000 befragten Männer gab es eindeutige Zeichen von Babyblues, bei den Frauen waren es etwa 10 Prozent. Bei Müttern führt der starke Abfall der Schwangerschaftshormone nach der Geburt häufig zu so genannten Heultagen. Auch bei Männern mag die hormonelle Komponente eine Rolle spielen, doch für wesentlicher halten Experten andere Umstände. „Durch die Geburt bekommen Väter eine neue Rolle“, beschreibt Bajbouj. „Gewohnte Bahnen werden verlassen, das Selbstbild ändert sich. Das wird von manchen als Stress empfunden, und Stress kann Depressionen auslösen.“

Die Kinder bleiben davon nicht unberührt. Zwar stellten die Wissenschaftler keinen Einfluss von väterlichen Depressionen auf die emotionale Ausgeglichenheit der Zöglinge fest. Sie entdeckten aber mehr Verhaltensauffälligkeiten als bei Kindern unbelasteter Väter. Besonders Söhne von Vätern mit postnatalen Depressionen waren deutlich öfter hyperaktiv und hatten häufiger Verhaltensprobleme. Wochenbettdepressionen bei Frauen beeinflussten Söhne und Töchter übrigens gleichermaßen. Sie bewirkten sehr häufig ungewöhnliche Traurigkeit oder Ängstlichkeit der Kinder.

Martina Janning