Vaterfreuden und Männerleid

Werdende Väter stehen vor vielen Fragen: Etliche sind ihnen peinlich. Neben simplen Fragen, etwa wie ein Kind zu halten ist, stehen auch komplexe Aufgaben an. Zum Beispiel die eigene Rolle neu zu definieren. Oft hilft es, dem eigenen Gefühl zu folgen

VON LARS KLAASSEN

„Männer sind furchtbar stark!“ Das hat Herbert Grönemeyer bereits 1984 gesungen – und es war schon seinerzeit wohl nicht ganz ernst gemeint. All die Fragen, die sich Männer vor der Geburt ihres ersten Kindes stellen, deuten darauf hin, dass sich werdende Väter bis heute meist nicht so stark fühlen, wie sie gerne wären. „Neben der Vorfreude steht bei vielen die Angst, vielleicht nicht alles richtig zu machen“, sagt Andreas Goosses. Der Diplompsychologe berät in seiner Berliner Praxis und für Pro Familia neben Paaren, die ein Kind erwarten, auch werdende Väter in Abwesenheit der schwangeren Partnerin. Den weit verbreiteten Wunsch, alles perfekt hinzubekommen, treibt Goosses seinen Klienten möglichst aus. „Ausreichend gut zu sein ist schon Anspruch genug.“

Viele Männer trauen sich nicht nachzufragen

Die hohen Anforderungen, die angehende Eltern und nicht zuletzt werdende Väter an sich selbst stellen, haben ihre Ursache vor allem in mangelnder Erfahrung. „Es gibt mittlerweile zwei verschiedene Welten – eine mit und eine ohne Kinder“, hat Eberhard Schäfer, Leiter der Väterarbeit des Berliner Vereins Mannege, festgestellt. Auch er berät werdende Väter, in Seminaren des Vereins und im Rahmen von Vorbereitungskursen in Geburtshäusern.

Schon die Frage, ob man ein Kind möchte, ist schwierig zu beantworten, wenn Erfahrungen mit Kindern gar nicht vorhanden sind. Was kommt auf einen zu, was wird von Vätern erwartet? Sie müssen eine neue Rolle finden. Dabei ahnen die meisten, dass ein Leben mit Kind sich auf die Beziehung, auf Freunde und den Job auswirkt. Genaues wissen aber die wenigsten. „Gerade in Berlin leben viele Menschen, die ihre Familie hinter sich gelassen haben“, sagt Schäfer. „Wenn es nun darangeht, eine eigene Familie zu gründen, fehlen die Leute, die aus erster Hand Tipps geben können.“

Die Fragen fangen beim Thema Geburt an: Wie sich werdende Väter dabei verhalten können, wird in Geburtsvorbereitungskursen erläutert. „Aber oft trauen sich Männer gar nicht, bestimmte Fragen zu stellen, weil ihnen das in Gegenwart der Frauen peinlich ist“, weiß Schäfer. In reinen Männerrunden fragen sie offener. Dabei werden auch klassische Klischees bedient, etwa: ob es erlaubt ist, während der Geburt zu fotografieren oder ein Video zu drehen. Schäfer rät ab: „Nachher eine Aufnahme mit Kind auf dem Arm ist völlig okay, aber der Geburtsvorgang selbst ist kein Medienevent.“

Auch nach der Geburt fragen sich viele Männer Dinge, die sie ungern vor Frauen äußern, etwa: Wie halte ich ein Kind? Mit Babypuppen, die in etwa das Gewicht eines Neugeborenen haben, können sie es üben. „Wenn die Leute sich auf ihren Instinkt verlassen, machen sie es in der Regel schon richtig“, beruhigt Schäfer.

Schwieriger wird es bei der Rollenfindung. Ein guter und aktiver Vater zu sein mag in der Theorie einfach klingen. Die Praxis ist schwieriger. „Frisch gebackene Väter arbeiten mehr als jede andere Bevölkerungsgruppe“, sagt Schäfer. Das hat meist finanzielle Gründe: Kinder kosten Geld. Und in den meisten Fällen treten die Frauen nach der Geburt beruflich kürzer. Aber auch der Spagat zwischen Job und Familie kann funktionieren.

Väter gehen spielerisch mit Kindern um

„Die Eltern sollten sich darauf einigen, welche Zeiten und welche Aufgaben dem Vater zukommen“, rät Schäfer. Klare Absprachen mildern den Alltagsstress. Zudem erhält der Mann einen eigenen Verantwortungsbereich, was fürs Selbstbewusstsein wichtig ist. Der Vater sollte sich nicht von der Mutter oder der Schwiegermutter hineinreden lassen, nach dem Motto: Lass mal, ich mach das schon. Männer erledigen vieles auf andere Art als Frauen. Schäfer: „Sie sind oft weniger zielorientiert, spielerischer und daher auch etwas langsamer.“ Aber genau auf dieses Anderssein, etwa beim Wickeln, An- oder Ausziehen, kommt es an. „Väter sind von Anfang an wichtig für das Kind“, erklärt Schäfer. „Und natürlich sind die Kinder auch wichtig für die Väter.“

Was Eltern über einem Kind allerdings nicht vergessen sollten, ist ihr Verhältnis zueinander. „Dass die Sexualität nicht zu kurz kommt, ist ein wichtiger Punkt“, betont Goosses. Nach einer Geburt muss das Liebespaar sein Verhältnis neu definieren. Und zwar so, dass nicht alles aufs Kind fixiert wird. Die richtige Mischung macht es: Es muss genügend Zeit zu dritt, aber auch zu zweit geben – sowohl für die Eltern als auch für Mutter mit Kind und Vater mit Kind.

Infos und Kontakt: www.mannege.de