Tägliche Ausgangssperre in Kathmandu

Ein Generalstreik in Nepal bringt Opposition und maoistische Guerilla zusammen – der König reagiert mit Repression

DELHI taz ■ Am zweiten Tag eines viertägigen Generalstreiks ist es in der nepalischen Hauptstadt Kathmandu zu schweren Zusammenstößen gekommen. Demonstranten griffen staatliche Gebäude an und wurden von der Polizei mit Tränengas zurückgedrängt. Es kam zu rund 200 Verhaftungen, nachdem bereits am Vortag rund 1.000 Personen von der Polizei aufgegriffen worden waren. Für Samstag ruft die „Sieben-Parteien-Allianz“, die von den meisten Gewerkschaften, Zivilorganisationen und Berufsverbänden unterstützt wird, zur Großdemonstration in Kathmandu auf.

Auch am zweiten Tag wurde der Streik in den meisten Städten des Landes befolgt. Das öffentliche Leben kam weitgehend zum Stillstand und Geschäfte, Schulen und Fabriken waren geschlossen. Der Ausstand soll König Gyanendra zur Wiederherstellung demokratischer Rechte zwingen, namentlich der Wiedereinsetzung von Parlament und Zivilregierung. Der Streik wird von der maoistischen Untergrundorganisation der KPN (Maoisten) unterstützt, mit der die Allianz eine informelle Absprache im Kampf gegen die Alleinherrschaft des Palastes unterhält. Die Maoisten haben für die Dauer des Streiks einen Waffenstillstand im Kathmandu-Tal ausgerufen. Das Zusammengehen von Maoisten und demokratischen Kräften liefert der königlichen Regierung den Vorwand, die Streikenden mit dem Etikett des Terrorismusverdachts zu behaften. Bereits vor Streikbeginn war es zu zahlreichen Verhaftungen von Parteiführern, Intellektuellen, Studenten und Rechtsanwälten gekommen. Die Polizei führte Hausdurchsuchungen durch, und der Telefon- und Internetverkehr wurden eingeschränkt.

Versammlungen wurden verboten, die Ausfallstraßen der Hauptstadt abgeriegelt, und über Kathmandu trat ein zunächst unbefristetes Ausgehverbot zwischen 6 Uhr morgens und 18 Uhr abends in Kraft. Gleichzeitig wurde eine Sicherheitsverordnung erlassen, die jede Weitergabe von Informationen über den Streik als maoistische Propaganda klassifiziert und mit Haftstrafen ahndet.

Um den Protesten die Spitze zu nehmen, hält sich der König seit einiger Zeit in seiner Ferienresidenz in Pokhara westlich von Kathmandu auf. Über Radio und Fernsehen rief er am Donnerstag das Volk zum Beginn eines Friedensprozesses auf. Allerdings tut er wenig, um ihn in Gang zu bringen. Der Waffenstillstand der Maoisten wurde von der Armee ignoriert, und statt mit einer entgegenkommenden Geste an die demokratischen Kräfte deren Annäherung an die Maoisten zu stoppen, trieb er sie mit einem Anziehen der Schraube königlicher Exekutivmacht noch mehr in deren Arme.

Damit steigt auch der politische Einfluss der Maoisten, nachdem sie auf dem militärischen Feld bewiesen haben, dass die Armee sie nicht bezwingen kann. Nur Stunden vor Beginn des Generalstreiks überfielen sie in einer Kleinstadt südöstlich von Kathmandu ein Gefängnis und befreiten über hundert Häftlinge. Elf Personen, darunter fünf Polizisten und vier Angreifer, sollen dabei getötet worden sein. Ein Helikopter, der Verstärkung aus Kathmandu bringen sollte, zerschellte kurz vor der Landung; 21 Soldaten sollen dabei ums Leben gekommen sein. Die Maoisten behaupten, sie hätten ihn abgeschossen, während die Armee eine Explosion von Munition an Bord des Fluggeräts für den Absturz verantwortlich machte. BERNHARD IMHASLIY