Hühnerbeine für Afrika

EXPORT Geflügelfleisch-Überschüsse landen in Entwicklungsländern. Hilfsorganisationen warnen vor Marktverzerrungen bei den Ärmsten

Sensationelle Zuwachsraten von 120 Prozent – und das in Afrika? Die deutsche Geflügelindustrie macht’s möglich. Insgesamt 47.000 Tonnen Geflügelfleisch exportierte sie im vorigen Jahr nach Branchenangaben auf einen Kontinent, der in Europa noch immer allzu häufig mit Hunger, Krieg und Katastrophen in Verbindung gebracht wird. „Vorher gab es so gut wie keine Exporte dorthin“, sagt Anika Folgart vom Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft.

Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt beobachten den Trend wegen der Auswirkungen der Billigimporte auf die Preise afrikanischer Produzenten zunehmend skeptisch. Afrika sei für Geflügelfleischreste aus Deutschland und dem Rest der EU zum wichtigsten Exportmarkt geworden, sagt Francisco Marí, Agrarhandelsexperte bei Brot für die Welt. „Überall dort, wo wir uns bemühen, eine von Importen unabhängige Lebensmittel-Produktion aufzubauen, wird das zum Problem“, klagt er.

2012 führten deutsche Geflügelhersteller demnach 445.000 Tonnen Fleisch ins Ausland aus, 322.000 Tonnen davon in die EU-Länder. Mehr als die Hälfte kam aus Niedersachsen – Deutschlands Hühnerstall Nummer eins, wenn es um industrielle Mästung geht. 47.000 Tonnen des Fleisches – rund ein Zehntel der Exporte – landeten in Afrika.

„Länder wie Ghana und Benin gehören zu den Absatzmärkten dort, spielen aber eigentlich nur eine untergeordnete Rolle“, sagt Margit Beck vom Branchendienst Marktinfo Eier und Geflügel (MEG). Denn die Masse deutscher Geflügelexporte geht nach Südafrika. Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ermöglicht ein bilaterales Abkommen den Marktzugang.

„Das sind Reste der Reste, die hier keiner haben will“, sagt Marí. Das Gefrierfleisch, das aus Deutschland nach Afrika verschifft wird, kann nach seinen Erkenntnissen Afrikas Bauern aber durchaus vom Markt drängen. Gegen billige Importware hätten sie kaum eine Chance.

„Es ist ja auch aus ökologischer Sicht ein Wahnsinn, den Abfall mit viel Aufwand dorthin zu transportieren“, sagt auch Simone Pott von der Welthungerhilfe. Bei Misereor gibt es ebenfalls Bedenken. „Es besteht das Risiko, damit vor Ort komplette Märkte zu zerstören“, sagt Sprecherin Barbara Wiegard.  (dpa)