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Pott verliert Standpunkt

Zeitungssterben im Revier: Die „Ruhr Nachrichten“ ziehen sich zurück, die „Buersche Zeitung“ macht zu – und die WAZ profitiert. Der Gelsenkirchener Oberbürgermeister glaubt an eine Absprache

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Nach der Ankündigung des Marler Zeitungsverlegers Kurt Bauer, die Buersche Zeitung (BZ) in Gelsenkirchen Ende September zu schließen, hegt der dortige Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) einen Verdacht: „Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Verlage das Ruhrgebiet aufgeteilt haben“, so Baranowski zur taz. Zwar könne er dies nicht beweisen. Aber die Schließung der Buerschen Zeitung sei wirtschaftlich nicht zu erklären.

Zum Hintergrund: Kurz vor Bauers Ansage, seine Traditionszeitung zu schließen, hatten bereits die Ruhr Nachrichten (RN) das Feld geräumt. Neben Gelsenkirchen schlossen die RN auch ihre Lokalredaktionen in Bottrop und Gladbeck. Was zur Folge hatte, dass die größte Ruhrgebiets-Zeitung, die WAZ, nun in Gladbeck und Bottrop ihr Monopol ausbauen kann. In Gelsenkirchen war bislang nur noch die BZ im Weg. Nicht mehr lange: Auch hier wird die WAZ ab Oktober die Meinungshoheit besitzen, also die einzige Zeitung am Platz sein. Schon jetzt ist die WAZ das dominierende Zeitungshaus im Ruhrgebiet, ähnlich wie der Verlag DuMont in Köln.

Für Baranowski ist das nicht nur eine eindeutige, sondern auch eine „drastische Entwicklung“. Sollte es tatsächlich Absprachen zwischen dem Verlag Lensing-Wolff (RN), der WAZ und dem Verlag Kurt Bauer gegeben haben, sei das ein Fall fürs Kartellamt, so der Gelsenkirchener OB. Baranowski ist nicht der erste, der eine Aufteilung von Verbreitungsräumen wittert. Auch der Dortmunder Medienexperte Horst Röper spekulierte bereits über eine Zweckehe der Konkurrenten Lensing-Wolff und WAZ. „Ein Hochzeitsgeschenk an die WAZ?“, fragte Röper im Medienmagazin Journalist. Worauf er anspielte: Drei Tage bevor RN-Verleger Lambert Lensing-Wolff die Schließung seiner Lokalredaktionen bekannt gab, hatte das Kartellamt eine Druck-Kooperation der Zeitungen abgesegnet.

Seitens der beteiligten Verlage gab es bis dato keinerlei Stellungnahme. Kurt Bauer wollte sich schon zur Schließung der BZ nicht äußern. RN-Verleger Lambert Lensing-Wolff schweigt ohnehin beharrlich, wenn es um seine Geschäfte geht. Und auch die WAZ-Mediengruppe war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu haben. Geschäftsführer Bodo Hombach weile derzeit im Urlaub, teilte sein Büro auf taz-Anfrage mit.

Die Indizien häufen sich, dass die Verlage hier gemeinsame Sache machen. Aber während sich der Protest gegen das Zeitungssterben bislang in Grenzen hielt, formiert sich in Gelsenkirchen nun Widerstand. Selbst im Verein für Orts- und Heimatkunde rätselt man, wer eigentlich von den Schließungen profitiert. „Das fragt sich jeder“, sagt der Vorsitzende des Vereins, Gerd Escher. Es müsse doch eine Kompensation geben, wenn eine Zeitung schließe, „obwohl sie schwarze Zahlen schreibt“. In jedem Fall sei der Wegfall der 125 Jahre alten BZ ein „Schlag für die Stadt“. Wie man in Buer darauf reagieren werde, wisse er noch nicht. Aber in verschiedensten Vereinen und Institutionen werde der Protest bereits vorbereitet.

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