DIE KLEINE WORTKUNDE

Doch, es ist ein sehr politischer Begriff geworden, gerade im Informationszeitalter. Tauchen Lecks in Seekabeln oder Servereinrichtungen auf, fällt der Verdacht seit der NSA-Affäre zu Recht auf staatliche Datenspione. Und auch im ursprünglicheren Sinne ist meist eine Amtsperson im Spiel, wenn es anzapfen heißt, an diesem Samstag wieder Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. Mit wuchtigen Schlägen, die das Publikum kritisch mitzählt, wird er den Messinghahn ins Bierfass treiben und das Oktoberfest mit dem Ruf „O’zapft is!“ eröffnen.

Hat der Oberbürgermeister seine Pflicht erfüllt, ist es mit dem Anzapfen auch schon vorbei. Die Hirschen, so nennt man die majestätischen, auf 200 Liter ausgelegten Holzfässer, sind in den Festzelten nur noch Attrappe. Das Bier fließt inzwischen aus riesigen Containern in die Zapfanlagen, die täglich per Tankwagen befüllt werden. Ausgeklügelte Pipelinesysteme sorgen außerdem dafür, dass eine Maß Bier inzwischen in einer Rekordzeit von vier Sekunden im Krug ist.

Damit nicht zu viel verzapft wird, platzieren die Wiesnwirte Politiker gerne oben auf der Galerie. Schließlich wollen sie noch mehr als die 6,9 Millionen Liter Bier ausschenken, die im vergangenen Jahr aus den Hähnen flossen.

JÖRN KABISCH