die taz vor 19 jahren: Musische Lösung
Von allen Insekten hat ohne Zweifel die Wanze den Sprung ins technische Zeitalter am elegantesten bewältigt. Ronald Reagan versucht wie immer, das Rad der Geschichte zurückzudrehen: Er verlangt eine wanzenlose US-Botschaft in Moskau, was etwa so albern ist, als würden Kirmesbesucher einen flohfreien Flohzirkus fordern. Die Drohung, das neue Missionsgebäude einfach wieder abzureißen und nochmal zu bauen, entspricht der rohen Denkungsart des amerikanischen Präsidenten, ist aber wenig hilfreich.
Viel feinsinniger geht Verteidigungsminister Caspar Weinberger an die Sache heran. Sein Verdienst ist die Entdeckung der Musik als Mittel zur Ungezieferbekämpfung. Seit einiger Zeit werden die langen Ohren Moskaus vom musikalischen Erbe des Westens betört, das Tag und Nacht durch die Räume des Ministeriums donnert. Ganz ausgereift ist das Konzept allerdings noch nicht. Es scheint ziemlich unsinnig, die sowjetischen Abhörspezialisten mit klassischen Klängen zu unterhalten, wenn es ein Leichtes wäre, sie durch den geballten Einsatz von Michael Jackson oder Dean Martin ein für allemal aus Washington zu vertreiben.
In der Moskauer Botschaft könnte die musikalische Kammerjägerei sogar subversive Züge annehmen. Bob Dylans „Masters of War“, Zappas „Were only in it for the money“ oder das unwiderstehliche „Oh when the Saints go marchin in“ würden erhebliche Verwirrung im sowjetischen Politbüro stiften. Wenn Gorbatschow dann mit Kopfhörer in die morgendliche Pressekonferenz swingt, wissen alle, daß er keineswegs mittels Walkman seinen freien Geist unter Beweis stellen will, sondern schlicht den amerikanischen Botschafter beim Frühstück belauscht. Matti Lieske, 10. 4. 1987
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