Alte fliegen schneller aus dem Krankenhaus

PFLEGEFALLVERMEIDUNG In Schleswig-Holstein startet ein Modell für die Versorgung kranker Hochbetagter

„Die Patienten waren zu über 90 Prozent zufrieden“

MARTIN WILLKOMM, CHEFARZT DER GERIATRISCHEN KLINIK LÜBECK

Ein Sturz, ein Beinbruch – und aus dem Krankenhaus ins Pflegeheim: Um die Chancen alter Menschen zu verbessern, nach Unfall oder Krankheit weiter ohne Betreuung leben zu können, startet in Schleswig-Holstein ein Programm zur besseren Versorgung der Hochbetagten. Gestern unterschrieben Sozialminister Heiner Garg (FDP), Bernd Krämer, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, sowie die Vertreter mehrerer Krankenkassen einen entsprechenden Vertrag. Die wichtigste Rolle spielen die HausärztInnen, die ihre PatientInnen in das bundesweit einmalige Modell schicken müssen.

„Statt eine 83-Jährige drei Wochen im Krankenhaus zu lassen, geht sie nach zehn Tagen nach Hause, kommt aber täglich in die Klinik und erhält die Therapien, die sie braucht“, erklärte Martin Willkomm, Chefarzt der geriatrischen Klinik in Lübeck, einen Fall. Dabei solle „keiner hilflos oder allein gelassen werden“, sagte Minister Garg. Gut drei Wochen dauert die Nachsorge, in der nicht nur die akute Störung, sondern alle Gesundheitsprobleme der betagten Kranken behandelt werden. Hausarztpraxis, Krankenhaus und ambulante Betreuung sollen dabei eng zusammenarbeiten, Hilfe auch ins Haus kommen, wenn der Kranke nicht mobil ist. Ein Hausarzt kann einen alten Menschen auch ohne akuten Anlass für das Programm vorschlagen, „wobei nicht jeder über 70 und mit Schwindelgefühl“ genommen werde, so Willkomm: „Es muss gut begründet sein.“ Ziel ist, durch Diagnosen und Training zu verhindern, dass jemand zum Pflegefall wird – und Geld kostet.

Die Krankenkassen geben für das Konzept allein in diesem Jahr 3,8 Millionen Euro aus – bei einer Pauschale von 1.900 Euro pro Fall werden 2.000 Menschen behandelt. Mittelfristig soll die Zahl der nach dem neuen Modell versorgten Menschen landesweit auf über 10.000 steigen, die Kassen wollen entsprechend Mittel zuschießen, sagt Dietmar Katzer, Leiter der Ersatzkassenverbände. Alle 13 geriatrischen Kliniken in Schleswig-Holstein sind beteiligt, die Versorgung sei damit flächendeckend. Eine Probephase hatte ergeben, dass das Modell wirksam ist: „Die Patienten waren zu über 90 Prozent zufrieden“, so Willkomm.ESTHER GEISSLINGER