Jagen für die MVA

Dritter Prozesstag um Müllanlage Asdonkshof: Angeklagter soll Jagdhütte und Geld angenommen haben

Korruption, Bestechung, Verbindungen zur Politik – das Verfahren um den Bau der Müllverbrennungsanlage Asdonkshof in Kamp-Lintfort /Niederrhein vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts Kleve hat alle Zutaten für einen echten Wirtschaftskrimi. Der Hauptakteur in dem Drama, Hans-Joachim Haustein, ist gelassen und auskunftsfreudig: „Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.“ Heute geht der Prozess in die dritte Runde.

Untreue und Bestechlichkeit, so lauten die Vorwürfe gegen den 54-Jährigen. Mit ihm angeklagt: Ewald Holstein, 73, früher einer der Senior-Chefs der gleichnamigen Kamp-Lintforter Baufirma wegen Betruges – und der frühere Geschäftsführer und Neffe Friedrich Holstein wegen Betrugs und Bestechlichkeit.

Die Geschichte: Haustein war Anfang der 90er Jahre zusammen mit Udo Karl Strauss` Geschäftsführer der Kreis Weseler Abfallgesellschaft, dem Betreiber der Müllverbrennungsanlage Asdonkshof. An der sind zu 50,1 Prozent der Kreis Wesel, die Firma Schönmackers mit 49 Prozent und die Stadt Kamp-Lintfort mit 0,2 Prozent beteiligt. Zuvor war Haustein technischer Dezernent beim Kreis Wesel. Damals pflegten beide enge Kontakte zu der Kamp-Lintforter Firma Holstein und ihren Chefs Friedrich-Ewald und Wilfried Holstein – und nicht nur das: „Strauss hatte einen Beratervertrag bei Holstein“, gibt Friedrich Holstein am zweiten Verhandlungstag vor Gericht zu. Der ist mit 350.000 Euro dotiert. Dazu kommen noch weitere Zahlungen in Höhe von 240.000 Euro und Geld für die Anschaffung eines Jagdgewehres und eines Autos für die Ehefrau. Haustein lässt sich von den Holstein-Senioren regelmäßig zu Jagdreisen einladen, nach Schottland, Ungarn und Rumänien. In der Eifel hat Haustein selbst ein Jagdhaus – wo ihm die Holsteiner bei der Renovierung seines Jagdhauses helfen: „Das war völlig überraschend für mich, als die Arbeiter da kamen“, sagt er.

1993 kommt es zur europaweiten Ausschreibung der Bauaufträge für den Asdonkshof: „Daran bin ich nur am Rande beteiligt gewesen“, meint Haustein. Die Senioren Holstein teilen sich nach Friedrich Holsteins Aussage die Parteien auf: Der eine beackert die SPD, der andere die CDU. Für die Prüfung der Angebote ist ein Ingenieurbüro aus Aachen verantwortlich – das auch eine vertragliche Bindung zum Holstein-Unternehmen hat. Kein Wunder also, dass Friedrich Holstein zweimal zu dem Aachener Büro reisen kann, um die Angebote für den Bau der Anlage und der Deponie zu verändern. Problemlos kann er die Preise nach oben manipulieren. Das Holstein-Angebot bleibt aber das günstigste. Für „Botengänge“ erhält Friedrich Holstein im Dezember 1996 von seinem Onkel rund 50 000 Euro – ihm ist klar, dass das Geld für die Angebotsänderungen gezahlt wird. Der Schaden für die KWA: 2,5 Millionen Euro heute.

Haustein weist in dem Verfahren jede Verantwortung von sich. Eine beauftragte Rechtsanwältin habe die Schreiben an die Firmen verfasst, die beim Ausschreibungsverfahren nicht in die engere Wahl kamen. Es habe feste Kriterien gegeben. Die Bewertungsbögen, die dem Aufsichtsrat vorgelegt wurden, habe er aber selbst erstellt. Renommierte Unternehmen wie Hochtief oder Züblin hatten das Nachsehen – warum sie den Zuschlag nicht bekamen, geht aus den Schreiben nicht hervor, kritisiert Richter Christian Henckel. Dass den Beteiligten im Aufsichtsrat der KWA – auch den Politikern – der Unterschied beim Angebot nicht auffällt, löst beim zuständigen Richter nur Befremden aus: „Es ist doch ein Unterschied, ob es um 2.000 oder um zwei Millionen Mark geht.“ Da war ich wohl im Urlaub, sagt Haustein aus. Das Ingenieurbüro verkaufte es als „Additionsfehler“, Strauss und die Anwältin halten Bedenken für ausgeräumt. „Wir haben uns damals auf den Planer verlassen“, meint Haustein.

Wie das Verfahren für Haustein ausgeht, ist unklar – bisher ist er noch nicht unmittelbar belastet worden. Ewald Holstein schweigt zu den Vorgängen. Da er unter Bluthochdruck leidet, kann das Verfahren nur drei Stunden pro Verhandlungstag durchgeführt werden. Zum Showdown könnte es Ende Mai kommen – wenn Hausteins früherer Kollege Udo Karl Strauss als Zeuge gehört wird.

ALEXANDER FLORIÉ