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Huber übt Kritik am EKD-Papier

FAMILIE Altbischof sagt, Text hat Auftrag verfehlt

BERLIN taz | Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber äußert scharfe Kritik am Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Im Juni veröffentlichte die EKD eine Orientierungshilfe mit dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“. Die in diesem Papier beschriebene Gleichwertigkeit aller Familienformen, egal ob Ehe, Homoehe oder Patchworkfamilie, wird seither stark diskutiert.

Der frühere Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Huber, zeigt sich besorgt um das evangelische Leitbild der Ehe. Die auf der Ehe beruhende Familie genieße nicht nur rechtlichen, sondern auch ethischen Vorrang. Huber erklärte am Samstag im Rundfunk Berlin-Brandenburg, das neue Familienpapier habe „keinen Alleinvertretungsanspruch innerhalb des evangelischen Eheverständnisses“.

Auch das volle Adoptionsrecht für homosexuelle Paare sieht Huber kritisch. In seinen Augen solle ein Adoptionsrecht für Paare, „die in einer Lebensform sind, in der sie gar nicht Kinder haben können“, nicht überstürzt werden. Stattdessen solle der momentanen Regelung Zeit gegeben werden, um sich erst einmal zu „entfalten“, so Huber. Dieser Regelung zufolge dürfen Homosexuelle nur leibliche Kinder ihres Partners oder ihrer Partnerin adoptieren.

Das Papier sei keineswegs eine Absage an das Leitbild der Ehe, hatte Insa Schöningh, Bundesgeschäftsführerin der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen und Mitverantwortliche des Papiers, in einem taz-Interview vom Juli erklärt. Man könne aber das normative Bild der Ehe nicht über den Menschen stellen, sagte Schöningh. In dem Papier erkennt die evangelische Kirche zum ersten Mal öffentlich an, dass auch nicht auf der Ehe basierende Familienformen verantwortungsvoll und dem Kindeswohl zuträglich sein können.

Das EKD-Familienpapier versucht, die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare anhand von verschiedenen Bibelstellen zu belegen. So fänden sich in der Bibel auch Textstellen über „zärtliche Beziehungen zwischen Männern“. Auch diesen Bibelbezug in der Orientierungshilfe kritisiert Huber, in dessen Auftrag das Papier einst erstellt wurde.

Ihm zufolge hätte sich die Kommission, die das Papier erarbeitet hat, auf ihren ursprünglichen Auftrag beschränken sollen. Dieser sei gewesen, Initiativen zu unterstützen, die „das Ziel haben, Ehe und Familie sozial und kulturell zu stärken“, sagte Huber.

Viele der in der Orientierungshilfe genannten Forderungen seien außerhalb der Kirche längst familienpolitischer Mainstream, hatte Schöningh im taz-Interview gesagt. Die evangelische Kirche in Hessen und Nassau traut schon seit Längerem auch homosexuelle Paare. 12 bis 20 gleichgeschlechtliche Paare schließen dort jedes Jahr den Bund der Ehe. Diesen August wurde das erste Paar sogar mit kirchlicher Beurkundung getraut. DINAH RIESE

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