Maryja braucht Gebete

Erst fiel das polnische Kirchen-Radio Maryja wegen Antisemitismus auf. Nun droht ihm ein Finanzskandal

Polens „moralische Revolution“, die die Regierungspartei PiS zu ihrem Amtsantritt ausrief, droht zu einem Desaster zu werden. Ausgerechnet das katholisch-antisemitische Radio Maryja hatte sich die neue Regierung zu ihrem Quasi-Haussender erkoren. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Radiopriester Tadeusz Rydzyk wegen der Veruntreuung von Millionen Zloty.

Eigentlich sollte mit den Spenden der Radio-Maryja-Hörer die Danziger Werft vor dem Ruin gerettet werden, doch der Finanzexperte des Radios, Rydzyk, legte das Geld an der Warschauer Börse an und verspekulierte sich gewaltig. Weder die Spender noch die Werftarbeiter erfuhren aber je etwas vom mysteriösen Verschwinden der Spenden. Und das ist nicht der erste Skandal bei der „katholische Stimme in deinem Haus“. Nach den Parlamentswahlen im September musste jeder, der auf dem Laufenden bleiben wollte, Radio Maryja einschalten. Zwischen Rosenkranz-Gebeten und Lobe-den-Herren-Gesängen erklärten polnische Minister ihre künftige Politik. Und Premier Marcinkiewicz verkündete hier Teile seiner Regierungserklärung noch vor dem eigentlichen Termin im Parlament.

Was da seit Monaten so salbungsvoll in Millionen polnische Wohnzimmer schwappte, gefiel dem Vatikan aber überhaupt nicht. Als nun auch noch Stanislaw Michalkiewicz, ein bekannter Antisemit, die jüdischen Gemeinden beleidigte, die seit einiger Zeit einst verstaatlichte Synagogen, Friedhöfe und ehemalige jüdische Schulen zurückerhalten, war das Maß voll.

Von jüdischer Erpressung war in dem Kommentar die Rede, vom Jüdischen Weltkongress als einem Konzern der „Holocaust-Industrie“, der nun wieder eine neue Lösegeldforderung gestellt habe. Sollte Polens Regierung die vom Weltkongress geforderten 60 Milliarden Dollar nicht zahlen, sollte der Ruf Polens weltweit ruiniert werden, so Michalkiewicz in Radio Maryja. Da die Deutschen als die eigentlichen Täter des Holocaust den Großteil des Lösegeldes schon gezahlt hätten und weiter zahlten, würden sie in Ruhe gelassen. Selbst als Michalkiewicz Präsident Lech Kaczyński und Premier Kazimierz Marcinkiewicz über den Sender dazu aufrief, das „nationale Interesse“ des Landes zu verteidigen und niemanden mit polnischen Steuergeldern zu „schmieren“, sah der Chefredakteur keinen Anlass, Michalkiewicz den Ton abzudrehen.

Nun forderte der apostolische Nuntius die polnischen Bischöfe in einem scharfen Brief auf, endlich Maßnahmen gegen Radio Maryja zu ergreifen. Papst Benedikt XVI. will wohl nicht von einem antisemitischen Sender vereinnahmt werden, wenn er Ende Mai Polen besucht. Die Bischöfe, die zum Teil die politische Linie von Radio Maryja unterstützen, haben nun angekündigt, sich dem Willen des Vatikans zu beugen und Anfang Mai über das Radio zu entscheiden.

Nicht geäußert hat sich bislang der Landesrundfunkrat, der vor kurzem den Privatsender PolSAT mit einer hohen Geldstrafe belegte, weil dieser mit einer Satire auf Radio Maryja angeblich die journalistische Ethik verletzt hatte. Möglicherweise haben die national-konservativen Mitglieder dieses Rates den Aufruf in der Tageszeitung Nasz Dziennik gelesen: „Lasst uns für Radio Maryja beten!“ G. LESSER